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Trojanische Pferde

Trojanische Pferde

Titel: Trojanische Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lender
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vorbei, das stand fest. Selbst wenn sie sich dem Angebot verweigerte, und sie war sich durchaus nicht sicher, ob sie das tun konnte, wozu hätte sie hier noch weiter bei Christina bleiben sollen? Andererseits: Wo sollte sie sonst hin? Zorn und Trotz verliehen ihr neue Kräfte.
Na schön. Ihr könnt mich mal, alle beide. Es bleibt nur eins. Das Beste draus zu machen, bis ich einen Ausweg sehe. Und außerdem genug Geld zu sparen, dass ich nie wieder auf jemand anderen angewiesen bin.

KAPITEL 12
    A UGUST, VOR DREIUNDZWANZIG J AHREN . A N B ORD EINES KÖNIGLICH SAUDISCHEN P RIVATLEARJETS
. Normalerweise hätte das Brummen der Flugzeugmotoren Sasha schläfrig gemacht, aber auf diesem Flug war alles anders. Ihre nervliche und emotionale Verfassung ließ keinen Schlaf zu. Und da ihr diese Entlastung von den Zumutungen der Realität verwehrt blieb, suchte sie Ablenkung, indem sie sich auf den Andruck der Beschleunigung konzentrierte, auf die Veränderung des Kabinendrucks beim Anstieg und auf einen Vergleich des durchdringenden Geruchs nach neuem Leder in der verschwenderisch ausgestatteten Kabine mit dem Duft des Sattel-und Zaumzeugs, das sie erst gestern noch ihrem Pferd angelegt hatte. Alles nur, um zu verhindern, dass ihr das Herz in der Brust zersprang.
    Gerade mal fünf Minuten waren seit dem Start vergangen, da brannte sich ihre Qual durch alle Ablenkungsmanöver.
Wenn Christina imstande war, mich zu verraten … wenn auch Jassar … wen habe ich dann noch?
Ihr Körper war starr und steif, die Muskeln gespannt, die Synapsen überlastet.
Niemanden
. Sie begann zu zittern.
Woran, an wen kann ich noch glauben?
War sie wahrhaftig ganz allein auf der Welt?
    Sie sah zu Jassar hinüber, der, in arabische Gewänder gekleidet, still in seinem Koran las. Sie gab sich nonchalant, aber ihre Gedanken wurden noch immer von regelmäßig wiederkehrenden Aufschreien ihres ungläubigen Herzens zerrissen.
Oder ist es meine Seele?
    Sie ging auf die Bordtoilette und sah sich im Spiegel an.
Du kannst sie wohl kaum darum bitten, dass sie dieses Ding umkehren lassen. Du hast eine Entscheidung getroffen. Eine mit klarem Kopf erwogeneEntscheidung. Jetzt versuch einfach, das Beste draus zu machen.
Sie konnte gerötete Stellen in ihren Augen ausmachen. Außerdem Furcht, und garantiert würden die anderen das auch sehen.
    Als sie wieder herauskam, hatte Jassar seinen Koran beiseitegelegt und seinen Sessel zu ihr gedreht. Zwischen ihren Plätzen war ein Tisch aufgestellt worden.
    »Vermutlich sollte ich dir ein bisschen erklären, was von dir erwartet wird. Und worauf du dich einstellen solltest, wenn wir landen.« Er begegnete ihr auf die gleiche sanfte Art, die sie von jeher kannte.
    »Ist gut«, sagte sie.
    »Riad ist eine der konservativ-religiösen Bastionen innerhalb des saudischen Königreichs.« Er strich Marmelade auf ein Stück Toast. »Die Mutaw’een, die saudische Religionspolizei, hat die Aufgabe, die islamischen Verhaltensregeln durchzusetzen, und wird in Riad eher begrüßt als gefürchtet. Wie du vielleicht weißt, gehören zu den Normen der Scharia, des islamischen Gesetzes, deren Einhaltung sie überwachen, auch Maßgaben für das Verhalten von Frauen.«
    »Davon habe ich gehört.« Ihre Beine verkrampften sich. Sie hatte plötzlich das Gefühl, die Kabinenwände würden auf sie eindringen.
    »Frauen tragen traditionell ein bodenlanges schwarzes Gewand, bekannt unter der Bezeichnung Abaya. Zusätzlich müssen sie ihren Kopf mit einem Hijab-Schleier bedecken, einem Kopftuch, das ihre Haare in der Öffentlichkeit verbirgt. Männer und Frauen, die dem Kindesalter entwachsen sind, dürfen keinen Umgang miteinander haben, sofern sie nicht Familie oder nahe Verwandte sind.« Er lächelte. »Natürlich genießt man, wenn man zum königlichen Haushalt gehört, gewisse Privilegien, daher wird es dir wohl erlaubt sein, dich in Begleitung der königlichen Garde in der Öffentlichkeit zu bewegen.«
    Gerade wenn du denkst, schlimmer kann es nicht mehr kommen, darfst du dich eines Besseren belehren lassen.
Sie unterdrückte ein Stöhnen.
Am besten das Denken ganz einstellen.
    »Und wie ist es, wenn ich zu Hause bin?« In ihrer Vorstellung tauchte das Bild auf, wie sie in einem Zimmer voller in Schwarz gewandeter Frauen saß, die alle Angst hatten, sich die Fingernägel zu feilen. Sie dachte an den atemlosen Ritt durch das Gestrüpp auf der Nordseite des Hangs, den sie gestern mit Sable, ihrem ungebärdigen Einjährigen, unternommen

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