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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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vorstellen«, sagte er mit entwaffnender Ehrlichkeit, »daß jemand, der Ihnen nahesteht, Ihnen etwas zuleide tun möchte.«
       Das Mädchen lächelte gequält und begann zu weinen. Sie streckte in einer Geste der Dankbarkeit kurz die Hand aus, um den Arm des Rabbiners zu berühren, zog sie aber wieder zurück.
       »Ich habe nichts Böses getan, und trotzdem ist alles meine Schuld. Sie müssen mir glauben, ich habe nie etwas Böses getan! Es ist alles nur – seinetwegen geschehen«, schluchzte Lisa und nickte zu der Wiege hinüber, bevor sie das Gesicht in den Händen vergrub.
       »Rabäh!« kam es munter aus dem Bettchen. Der Knabe schien das Gespräch verfolgt zu haben und gar nichts Anstößiges dabei zu finden, daß man seinetwegen ganz außerordentliche Dinge tat, ganz gleich welcher Art. Der Rabbi schüttelte ein weiteres Mal den Kopf und rückte auf seinem Stuhl mit dem farblich abgestimmten Kissen vor, um dem weinenden Mädchen sanft über den Kopf zu streicheln.
       Aber Lisa wollte ihm nicht verraten, aus welchem Grund ihr Ehemann sie suchte. Birnbaum beschloß, es dabei bewenden zu lassen. Es gab praktische Fragen zu klären. Der gewalttätige Mann, vor dem sie schon im zweiten Monat der Schwangerschaft geflohen war, stellte ihr nach. Er war im Geschäft der Madame Valéry aufgetaucht und hatte eine Szene gemacht, sich beschwert, daß seine Frau sich vor ihm verstecke.
       Tatsächlich hatte sie ihre Wohnung, in die auch er eingezogen war, verlassen. Und sie verließ auch ihren Arbeitgeber. Entgegen seinen vorhergehenden Beteuerungen, in denen er von großen Geschäften gesprochen hatte, habe ihr Ehemann sich stets in Geldnöten befunden. Seine Wut darüber habe er an ihr ausgelassen.
       Es war Lisa gelungen, eine neue Anstellung zu finden. Im Geschäft der Madame Joubert arbeitete sie hinter den Kulissen. Aber jedesmal, wenn sie kurz den Ladenraum aufsuchte, und auf der Straße eine Gestalt vorüberging, die ihrem Ehemann auch nur entfernt ähnlich sah, geriet sie in Panik. Sie fürchtete nicht um sich, aber sie wollte nicht durch weitere Prügel ihr Kind verlieren. Dann, vor zwei Monaten war sie ihm durch Zufall begegnet, als sie gerade das Haus verließ. Sie hatte ein neues Zimmer genommen, diesmal in der Richelieustraße. Er habe sie angegriffen und versucht in den Hauseingang zu zerren. Ein berittener Polizist, der die Szene zufällig beobachtet hatte, sei ihr zu Hilfe gekommen. Nur aus Mitleid mit dem Opfer und weil ihr Mann stark getrunken hatte, habe der Polizist ihn verhaftet. Sie hatte noch am selben Tag erneut ihre Wohnung aufgegeben und war in die Moldavanka gezogen. Eine Näherin hatte ihr die Adresse des Hausbesitzers genannt.
       »Warum sind Sie sicher, daß er nicht auch hier nach Ihnen suchen wird?« fragte Birnbaum. Das Mädchen zögerte eine Weile. »Er – nun er mag die Juden nicht«, erwiderte sie dann zurückhaltend.
       »Auch das noch!« seufzte der Rabbi. Lisa lächelte ihn kurz an, als habe er damit einen Witz machen wollen.
       »Sie sagen das sicherlich nicht, um Ihren Ehemann in meinen Augen noch weiter herabzusetzen«, überlegte der Rabbi laut, »das wäre nämlich gar nicht nötig. Ich glaube Ihnen. Aber er kann Sie doch einfach durch die Polizei suchen lassen? Er meldet Sie als vermißt.«
       Das Mädchen hatte sich gefaßt, und Birnbaums Bereitschaft, die praktischen statt der moralischen Fragen ihrer Flucht zu erörtern, wertete sie als Zeichen dafür, daß der Rabbi keine Verachtung empfand. Lisa hatte das kaum zu hoffen gewagt. Obwohl ihr keine direkte Lüge nachgesagt werden konnte, war sie aus Scham nicht ganz offen gewesen. Erst jetzt fühlte sie sich ein wenig sicherer.
       »Er wird nicht zur Polizei gehen, das würde nur den Verdacht auf ihn lenken, falls mir etwas zustieße.«
       »Allmechtiger«, entfuhr es Birnbaum, er schüttelte zum hundertsten Mal den Kopf, um zu zeigen, daß seine Hoffnungen für das Menschengeschlecht nicht die besten waren.
       »Ich wohne hier unter falschem Namen, der Hauswirt toleriert es, dafür zahle ich nicht weniger als im Alexanderviertel.« Birnbaum schlug die Augen nieder und knetete seine Nase, aber er mußte zugeben: Er hätte es wohl an ihrer Stelle nicht anders gemacht. Dann hob er den Zeigefinger.
       »Aber der Hausmeister – alle Hausmeister hier arbeiten auch als Spitzel für die Polizei, er könnte . . .«
       »Der Hausmeister ist der Bruder der Näherin«, unterbrach sie ihn

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