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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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»du bist nicht zu deinem Vergnügen hier, sondern um zu lernen, und dabei werden dir die Hunde kaum helfen können!«
       Jenseits der alten Freihafenstraße aber begannen nicht nur die Häuser gepflegter und größer zu werden, die Straßen sauberer und die Menschen frischer und gleichgültiger auszusehen, auch die Hunde zeigten Manieren und ließen sich, während sie an Leinen neben ihren Besitzern stolzierten, durch ein Kind in einem Bollerwagen nicht aus der Ruhe bringen, selbst wenn man mit Melonenkernen nach ihnen spuckte.
       »Hör auf, die armen Tiere zu piesacken!« schimpfte der Rabbi wieder, der sich schon fragte, ob es nicht ein Fehler gewesen war, den Jungen von der Fensterbank zu entfernen. Aber nach einer Weile erwachte Theos Neugier, und er fing an, Fragen zu stellen. Warum sahen die Häuser hier so prächtig aus, warum gab es mitten in der Stadt Schluchten und Brücken, und warum rümpften einige der feinen Leute die Nase, wenn man an ihnen vorüberrollte?
       Auch Birnbaum hatte bemerkt, daß manche der Passanten, aber auch Geschäftsleute, die am Eingang ihrer Läden lehnten, sie feindselig ansahen. Dabei hatte er seinen schwarzen Anzug, es war der einzige, den er besaß, schon gestern abend sorgfältig ausgebürstet und den Hut so gründlich gereinigt, daß er förmlich glänzte.
       Hielt man ihn denn für einen Vagabunden? Oder für einen aufdringlichen Straßenhändler? Viele der Anwohner, vor allem aber die Ladeninhaber im Chersoner Viertel, hatten etwas gegen die fliegenden jüdischen Händler. Sie fürchteten, jene könnten sich wie der Typhus verbreiten und das Verbrechen der Vorstadt einschleppen, oder sie waren einfach besorgt um die Stabilität der Preise.
       Erst vor kurzem hatte man zweihundert jüdische Straßenhändler aus der turbulenten Alexanderstraße zwischen dem alten Bazar und dem Privosnaja-Platz verbannt. Ein paar Geschäftsleute in der belebtesten Einkaufsmeile des Alexanderviertels hatten sich darüber beschwert, daß ihre ›anständigen‹ Kunden in dem Gedränge der Buden und Karren, an denen die Juden lautstark Tomaten und Kürbisse, Haushaltswaren und Fische aller Größe anpriesen, die Ladentüren nicht mehr finden würden.
       Hier im Chersoner Distrikt, dem Universitätsviertel, erschien dem Rabbi die Furcht vor jüdischen Straßenhändlern wenig begreiflich.
       »Mach dir nichts daraus, Jingele«, sagte Birnbaum halblaut mehr zu sich selbst, »sie sind alle nur neidisch auf die komfortable Art deiner Reise. Die anderen müssen sich in der Elektrischen oder der Pferdebahn drängen, die Glücklichsten von ihnen haben eine Kutsche oder ein stinkendes Automobil. Aber du bist noch keine sechs Jahre alt und wirst von einem jüdischen Diener durch die Straßen gezogen! Das können diese Gauner nicht ertragen.«
       Der Knabe ahnte, daß in dieser Erklärung des Rabbis eine gutgemeinte, aber bittere Verzerrung lag, er ahnte jedoch ebenfalls, daß weitere Fragen seinen Lehrer nur wortkarg machen würden.
       Die Stadt, ein Reißbrettentwurf, sei auf einem Plateau errichtet worden, belehrte der Rabbi ihn, das steil zum Meer hin abfalle und in seinem Rücken die Steppe habe. Dieses Plateau aber sei von Senken durchzogen, über die man Brücken bauen oder die man zuschütten mußte.
       »Der Getreidehandel hat die Stadt groß werden lassen. Heute gibt es Banken, große Exportfirmen, das Mühlengewerbe, Industrie und Reedereien, und es gibt die Börse. Überall entstehen neue Fabriken, in denen alles hergestellt wird, was in unserem Viertel noch mit der Hand gemacht wird. Maschinen stellen Kerzen und Gläser, Seife und Taue her, und sie füllen Pflaumenmus in kleine Dosen.«
       Der Junge lachte ungläubig.
       »Viele glauben, die unsrigen sind zu zahlreich und nehmen ihnen die Arbeit«, fuhr Birnbaum belehrend fort.
       »Aber in Wirklichkeit sind es die Maschinen . . . Schau, hier in der Torgovaiastraße stehen die die prachtvollsten Villen, und einige davon gehören den Unsrigen. Aber der Pöbel glaubt, wir besitzen die ganze Stadt. Einige der reichsten Kaufleute und Bankiers sind Juden. Aber wir dürfen nicht einmal unsere Vertreter in die Stadtduma wählen. Wie groß ist unsere Macht also? In unserem Viertel wohnen manche Familien zu zehnt in einem Raum. Und die Hälfte von uns hätte nicht einmal Pessachbrot, wenn es unsere Hilfsvereine nicht gäbe.«
       Der Knabe, der die Moldavanka bislang nicht verlassen hatte, konnte sich nicht

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