Trojaspiel
Hausfrau und Mutter, vor ihre Haustür gestellt hatte. Nun begann das Hündchen zu heulen, bäumte sich auf und war schon im nächsten Augenblick, die Schüssel nach sich ziehend, sämtliche Stufen wieder hinuntergepurzelt, den harten Fall nur gedämpft durch Babys Toilettenartikel, die sich zärtlich an Kopf und Schultern geschmiegt hatten. Ein echter Hund bellte im Verborgenen, hinter manchen Türen wurden schläfrige Flüche laut. Aber da Herr Kotusov, umarmt von schützenden Windeln, zunächst nur ein sanftes Nickerchen machte, das mit keiner Ruhestörung verbunden war, kam es im Treppenhaus nicht zu peinlichen Begegnungen. Als ein ungeduldiger Störenfried an seinen Gliedern rüttelte, wortlos die Windel aus seinem Gesicht hob und mit robusten Tritten und Knüffen natürliche Reflexe in Kotusovs Repertoire ansprach, kam es zu jenem kleinen Unglück, dem der Gestrauchelte, eher als der bevorstehenden Geburt Theos, seine späteren Lebensperspektiven verdankte. Michail schlug zu, bevor er aufwachte, hörte noch beim Aufklappen der Lider ein sattes, weiches Plumpsen, das von gesunder Polsterung sprach, und dann ein leises, fast schon resigniertes Stöhnen. Seine Frau, deren Gesicht dann am schmalen Horizont auftauchte, hielt ihr getroffenes rechtes Auge und sah ihn mit dem linken bitter an, schwieg aber, als Zeichen für die innere Distanz, die sie bereits zu ihrem Gatten gewonnen hatte. Für Leidenschaften war da kein Platz mehr. »Wuff«, machte Herr Kotusov halblaut, obwohl Sonja nicht ihr stimulierendes Nachtgewand, sondern nur ein schlichtes graues Kleid zu bieten hatte, welches das Parfüm einer Nacht voller Arbeit trug und jenen schwereren Duft, der sich aus dem Dunst neugeborenen und bereits abgestandenen Lebens zusammensetzte. Frau Kotusova, die ihrerseits nur den Geruch von Wodka und Säuglingskot in der Nase hatte, lud den Ehemann mit viel Geschick auf ihre Schultern und trug ihn stumm die Treppen hinauf. Ihre größte Freude dabei war, ihm keinen Bissen von der üppigen Tafel der Gorpischenkos mitgebracht zu haben. Den letzten Wurstzipfel hatte sie noch vor der Hoftür hineingewürgt, auf die Gefahr hin, sich zu erbrechen. Sonja nahm sich vor, ganz alleine, in einem andachtsvollen Augenblick, auf ein Leben, das sie mit diesem Mann nicht mehr teilen wollte, den kostbaren Vogelbeerwodka zu trinken, in der Hoffnung, ihr Gatte würde nach seiner nächsten Sauftour, bei seinem nächsten Treppensturz, direkt und sein Dasein beschließend auf dem Kopf landen.
In dieser Verfassung hatte sie wenige Stunden später den Auftrag, der Theos Geburt galt, angenommen, ihre fatale Mischung angesetzt, das falsche Glas erwischt und damit nur um den Preis einer nicht gänzlich geglückten Selbstvergiftung und einer erst im Abspann leicht verpfuschten Geburt, jenen galanten Herrn, der es einmal verstanden hatte blütenweiße Papierkragen wie kein zweiter um seinen fleischigen Nacken zu tragen, abserviert.
Die Geradlinigkeit, mit der Michail Kotusov ohne Rücksichten für sich und den Mitmenschen Sternstunden und Verhängnisse gleich unbeirrt ansteuerte, brachte ihm bei Gericht keine Lorbeeren ein. Er beschimpfte und verfluchte seine Frau vor den Schranken des Gesetzes, rief ihr Minuten später feurige Liebesschwüre zu, tat also das, was er immer getan hatte. Kein weißer Kragen kam zum Einsatz, auch in der Untersuchungshaft war Alkohol verfügbar gewesen, und mit dessen Hilfe gelang es dem Angeklagten, sich ziemlich genauso zu präsentieren, wie er seiner Frau seit Jahren vertraut war. Dieser authentische Eindruck verfehlte die Wirkung auf den Richter nicht. Bewegt zeigte sich der Rechtspfleger auch von der ungebrochenen Vitalität des Angeklagten, der während der Vernehmung seiner herausgeputzten nüchternen Leumundszeugen in die Lehne seines Stuhles biß, weil niemand mit ihm auf freundschaftlichem Fuß stehen wollte und kein Fürsprecher gefunden werden konnte, außer Herrn Vernik, der Herrn Kotusov ausdrücklich zu seinen besten Kunden zählte, aber noch im Gerichtssaal die ausstehende Rechnung für den Tattag anmahnte.
»Haben Sie das alles allein getrunken?« fragte der Richter verkniffen in ein heiteres Gemurmel hinein. – Und auch hier zeigte sich wieder so ein problematischer Punkt in Kotusovs Persönlichkeit, denn statt zurückzugeben, daß er Goremykin und Feodorov und Protopov, seine alten Bekannten, großzügig freigehalten hatte, denn so verhielt es sich ja, blaffte er nur trotzig:
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