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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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nüchternen Momenten, seine Sonja gefühlt hatte, ganz als säße sie neben ihm.
       »Du solltest deines Vaters Namen, meinen Namen, tragen, aber Lisa wollte ihren Mädchennamen behalten. Lanaiev , so hießen ihre Eltern. Als würde sie sich schämen. Aber nicht ich bin es, der ihr Schande bereitet hat.«
       Der Verrückte stand wieder auf und setzte sich nun gestrafft an den Tisch, als würden seine weiteren Erklärungen einen mehr formellen Charakter besitzen.
       »Du bist nicht mein Vater«, brüllte es zu seiner eigenen Verwunderung aus Theo heraus, das ›Du‹ vor allem war ihm nur so entschlüpft. Der Wahnsinnige lächelte kühl.
       »Sie wird es dir nicht erzählt haben. Warum sollte sie auch. Statt dessen versteckt sie sich. Wieder so ein halbherziger Versuch. Aber in einem Judenhaus fällt eine wie sie natürlich nicht auf. Was hat Lisa dir gesagt? Er ist gestorben? Verschollen? Auf Reisen?«
       Erneut brüllte es aus Theo heraus, vielleicht, um dem Wahnsinnigen mitzuteilen, daß weitere Pfeile ihr Ziel verfehlen würden, seine Autorität nicht vorhanden, alle Häme nur Anmaßung war. Ein weiteres Mal schon japsend und noch einmal mit feuchtem Auge versicherte Theo, wieder in der respektlosen Du-Form, den Entführer der Aussichtslosigkeit seiner Bemühungen. Der Verrückte machte eine verächtliche Handbewegung, zu größerem Protest gegen Theos Ausbruch schien er nicht bereit.
       »Sorg dich nur nicht allzu sehr, Söhnchen.«
       Aber Theo wollte nicht hören, strampelte schmerzhaft gegen die Hanfstricke an und warf seinen Kopf hin und her. Der Faustschlag auf den Tisch, grob auf Machtverhältnisse hinweisend, ließ den Jungen diesmal zusammenzucken. Er verharrte trotzig, verbarg die Wäßrigkeit seiner Augen, indem er die Stirn mit den Knien stützte. Ein Pause entstand, zu deren Auflockerung allein Herr Kotusov mit seinem rasselnden Baß beitrug, der wieder an Brettern und Balken sägte.
       »Die Frauen sind in diesen Dingen klüger als wir, sie müssen es sein«, fuhr der Fremde fort. »Aber die Macht liegt auf unserer Seite. Sie können sich auf den Kopf stellen, aber haben sie zu einem Balg keinen Ehemann, sollten sie schon Millionärinnen sein. Andernfalls können sie doch gleich anschaffen gehen. Ich habe die Ehre deiner Mutter gerettet, und so dankt sie es mir. Sie betrügt mich um mein Geld. Aber ich werde es schon noch aus ihr herausprügeln. Oder aus dir, wenn es sein muß, denn du wirst für mich arbeiten.«
       Theos Aufmerksamkeit für die Sticheleien des Entführers war wieder gewachsen. Eine verschwommene Vorstellung der Bedeutung, die der Verrückte dem Wort Vater geben wollte, begann Form zu gewinnen, und tatsächlich, es wurde ihm ein wenig wohler dabei.
       Der Wahnsinnige fiel in eine neue Kategorie Vater, dachte Theo, vermutlich die unangenehmste, unerträglichste von allen. In dieser Hinsicht wenigstens wollte ihn sein Entführer nicht enttäuschen.
       »Du bist ein Bastard, Söhnchen, von einem der vornehmen Herren ihrer Kundschaft. Für mich ist das jetzt einerlei. Auch deine Mutter kann mir gestohlen bleiben. Aber ich will mein Geld. Dein Vater lebt in Kiew, ist ein großer Kapitalist. Ich werde mich vertrauensvoll an seine Familie wenden. Du und deine Mutter, ihr werdet mir helfen. Ich habe ihr damals alle Briefe und Dokumente abgenommen und an einem sicheren Ort verwahrt. Mir war klar, Lisa würde zu stolz sein, sich selber an ihn zu wenden. Also werde ich jetzt ein wenig nachhelfen. Weigert sie sich noch immer, dann kommt ihr, auf mein Wort, beide zu Schaden. Endgültig. Dann werde ich selbst die Dokumente aufdecken und dem Pack einen Skandal machen. ›Magnat läßt Geliebte aus dem Weg räumen.‹ So in der Art. Man muß sie auspressen, so lange es noch geht, und dann werde ich fortgehen von hier. Denn für Kavaliere wie mich, Söhnchen, ziehen schlechte Zeiten herauf.«
      
      
       Nur drei Tage später, man schrieb den 17. Oktober 1905, zog ein seltsames Trio durch das Hafenviertel der Stadt Odessa. Zwei Männer und ein Wesen in ihrer Mitte, das auf den ersten Blick mit einem Schaf zu verwechseln war. Erst wer an die drei Wandernden näher herantrat, erkannte den verschlossen wirkenden blonden Jungen unter einer bäurischen Felljacke. Einen Burschen, dessen Gesicht etwas zerschunden war und der, das zeigte sein solides, obgleich staubiges Schuhwerk, einmal bessere Garderobe besessen und treulichere Fürsorge seiner Lieben erfahren haben

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