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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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Zeit. Schade auch um dich.«
       Lauter als Zipperstein das mit seinen zartgliedrigen Händen vermochte, ließ Krasnoglaz seine fleischigen Finger hinter dem Rücken des Diebes knacken, kratzte anschließend die blinde Hälfte seiner Augenpartie und folgte dem Arbeitgeber in die frostklare Stille der Rasumovskistraße.
       Schwer fiel der Abschied, denn Birnbaum wollte den Knaben nicht ziehen lassen. Auch Theo hatte seine Not. Er hoffte, den Alten bald wiederzusehen, dachte aber insgeheim bereits an Weiterliegendes. Der Junge klammerte sich lang am Hals des Rabbiners fest, drückte das liebe Gesicht und weinte zuletzt doch, hatte es sich aufgehoben. Für Zipperstein, in dessen ängstlichen Gedanken bereits ein neuer Lebensabschnitt begann, fand Birnbaum sogar versöhnliche Worte. Der Dieb, so sah er es, würde wohl auch in Zukunft herhalten müssen, als Mittler weiterer Treffen. Zipperstein zeigte sich nicht mehr verletzt, hatte auch damit schon abgeschlossen und ließ sich abwesend von Theo, als die gekrümmte Gestalt Birnbaums um die nächste Hausecke verschwunden war, den kürzesten Weg in die Mjasojedovstraße empfehlen. Theo ahnte die Sorgen des Diebes, trotzdem übte er Manöverkritik, während sie die Kosvennajastraße verließen, den Michailovskiplatz überquerten und in die kaum beleuchtete Komiteestraße einbogen, wo in der frostigen Dunkelheit alles wie trübes zersprungenes Eis aussah und nach dem Pogrom noch trostloser wirken wollte.
       »Du magst ein ganz passabler Dieb sein«, begann Theo vorsichtig, »aber wie man mit einem alten Mann umgeht, davon verstehst du nichts.«
       Zipperstein erreichten diese Worte nicht, jedenfalls sagte er nichts. Er hatte die kunstfertigen Hände in den Hosentaschen vergraben, trug seinen breitkrempigen Feiertagshut tarnend ins Gesicht gezogen und wirkte so angespannt wie jemand, der in feindseliger Umgebung einen langen Weg zurückzulegen hatte und nicht einmal wußte, wo er die Nacht verbringen würde.
       War es nicht so? Denn wo sollte er jetzt schlafen? Vielleicht wäre es sogar besser, die Stadt noch heute abend zu verlassen und seinen Vetter in Nicolaiev zu besuchen. Der konnte ihn zwar nicht ausstehen, würde ihn deswegen aber nicht gleich umbringen.
       »Man versucht, ihn nicht aufzuregen, widerspricht ihm nicht und lernt vielleicht noch etwas dabei, wenn er nicht ständig schimpft. Er hat doch seinen ganz eigenen Kopf und will beweisen, daß er mutig ist. Er kann nicht kneifen wie andere, weil es seine Pflicht ist. Man muß es ihm leicht machen.«
       Theo zupfte Zipperstein am Ärmel, auch weil sein Begleiter immer größere Schritte machte und ihm davonzulaufen drohte. Der Blick, den der Dieb ihm bei gesenktem Kopf zeigte, war so kläglich, daß Theo fast geneigt war, ein wenig Trost zu spenden. Er hielt sich aber zurück, schwieg lieber ganz und wollte abwarten, bis der ehemalige Nachbar sein Herz freiwillig erleichtern würde. Mischkas Drohung hatte ihren Zweck verfehlt. Statt den Jungen zu befragen oder ihn in seinen Auftrag einzuweihen, beschäftigte sich Zipperstein nun sogar mit einer Rangfolge der Wichtigkeit von Körperteilen, die das Japanerchen, Strafen nach Lust und Laune bemessend, in anderen Fällen mit Messer oder Pistole behandelt hatte. Er gewann dabei die Überzeugung, daß er weder auf Augen, Nase oder Ohren noch auf Finger oder Zehen verzichten wollte, rechnete, nachdem er sich schaudernd mit einem Schatten in einem Hauseingang beschäftigt hatte, der sich beim Vorbeigehen als Schatten in einem Hauseingang entpuppte, gegen den Verlust von Körperteilen den Verlust des Lebens insgesamt. Er kam zu einem nur philosophischen Ergebnis und beschloß noch in dieser Nacht das Weite zu suchen. Das Ergebnis von Theos Befragung, der Ordnung halber wollte er es auf einen Versuch ankommen lassen, würde er Japonchik in einem langen Brief oder auf dem Rücken einer Postkarte mitteilen und so für eine spätere Begnadigung werben.
       »Sieh mal, Jingele«, sprach er plötzlich, bemüht, den gutmütigen Tonfall des Rabbiners nachzuahmen, »es ist schwer zu begreifen, aber du und ich, wir haben doch einiges gemeinsam, sind beide ganz verlassen. Vater und Mutter kenne ich nicht oder habe sie schon vergessen. Sie waren keine große Hilfe für das, was ich geworden bin. Vielleicht ist das auch gut so. Denn einfache Menschen, die ihr Glück allein in der Freiheit gefunden haben, weil sie dort auf dem Land ihren eigenen Acker bestellen und

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