Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
Vom Netzwerk:
Krasnoglaz auf den Tisch der drei ehemaligen Nachbarn zu und ließ sich dort ganz ungezwungen nieder, ohne ein Wort zu verlieren. Birnbaum schwoll der Kopf rot, während Zippersteins Gesicht seine Farbe einbüßte. Theo kletterte geistesgegenwärtig einen Schoß weiter und warf sich dem Räuber an den Hals, gluckste gerissen:
       »Ach, Onkel Mischka.«
       Japonchik klopfte dem Jungen gönnerhaft auf den Rücken, sagte:
       »Dieses Treffen, Zipperstein, hoffe ich, verläuft ganz zu unserer Zufriedenheit.« Der Dieb nickte mechanisch, blieb vor lauter Panik auch zeremoniell. Theo half aus. »Das ist Onkel Birnbaum«, sprach er strahlend und zupfte den Rabbiner am Bart. »Meine Verehrung«, warf Mischka hin und strich sich selber vieldeutig über den gepflegten Robbenschnäuzer. Birnbaum war schweigsam, arbeitete weiter an der Farbgebung seines Gesichtes, ballte, als wolle er noch mehr Blut hinaufpumpen, die kleinen Fäuste. Mischka duldete diese Respektlosigkeit nur um des Jungen willen, dann sagte er:
       »Sehen Sie, Rabbi Birnbaum, so ist es auch Gott gegangen, als er nach dem Pogrom einen Blick auf die Straßen unserer schönen Moldavanka geworfen hat. Wie jemandem, der Versteck spielt, und merkt, daß ihn keiner sucht.«
       Der Rabbiner öffnete seine Hände, legte sie flach auf den Tisch, murmelte etwas, das klang wie »Friede steht über der Wahrheit«, und lächelte, um sich in Friedfertigkeit zu üben, dem stark schwitzenden Zipperstein ins Gesicht.
       »Na, Monsieur«, sagte Onkel Mischka zu Theo, »ich hoffe, du hast uns Ehre gemacht.« »Hab ich«, murmelte der Junge. »Denn dein Freund, der Rabbiner, wirkt angegriffen.« Theo rollte sich zurück auf Birnbaums Schoß und zog, seine Wirkung nicht verfehlend, diplomatisch an dessen Bart. Der Rabbi lächelte wieder, weil es auch galt, dem Jungen ein Vorbild zu sein. »Ich bin nicht gegen die Sünder«, sprach Birnbaum zu Theo, den das nichts angehen konnte, mit einer etwas gezwungen wirkenden Heiterkeit, »ich bin gegen die Sünde.«
       Theo machte große Augen.
       »Schon recht«, brummte das Japanerchen und betrachtete nachdenklich den gewaltigen Sascha Krasnoglaz, der noch immer lauernd hinter Birnbaums Stuhl stand. Der Rabbiner, Theo im Arm wiegend, hatte inzwischen zu einer altersgemäßen Gesichtsfarbe zurückgefunden, drehte den Kopf und sah dem König der Moldavanka zum ersten Mal in die schwarzen Augen.
       »Sie«, sagte er, »Sie«, wiederholte er, »sollten ein besserer Mensch werden!« Sagte es laut und fand Gehör selbst bei der Frau in der kleinen Kammer neben der Küche, die Zippersteins tadellosen Feiertagshut verwahrte.
       Sofort kehrte Todesstille im Lokal ein.
       Japonchik war ohne Zweifel gekränkt, stieß aber gelassen Luft durch die Nase und merkte insgeheim Birnbaum für eine private Unterredung vor. Ehe noch Theo durch kindliche Albernheiten ablenken konnte, entgegnete der Räuber, seine Theaterstimme entfaltend:
       »Wir sind das, was wir wollen. Man wird mich in der künftigen Welt nicht fragen, warum ich nicht Moses gewesen bin. Warum ich nicht Mischka gewesen bin – das wird man mich fragen!« Und weil er bemerkt hatte, daß außer ihm niemand mehr sprach in Balaschevs geräumigem Teehaus, holte er weiter aus.
       »Ich fürchte mich nicht vor den Menschen, auch wenn sie meine Taten mit ansehen. Ich fürchte mich auch nicht vor Gott, der immer zuschaut. Denn ich bin Mischka Japonchik! Ihr aber fürchtet euch vor mir, weil ihr selbst zu gerne der wärt, der ihr seid!«
       Japonchik war gewohnt, Menschen mit derlei Reden zu beeindrucken, und zeigte sich durch das anhaltende Schweigen im Raum nicht weiter überrascht. Theo, dem das Schwatzen, Plappern und Gezänk öffentlicher Lokale seit jeher ein Greuel war, imponierte die Sprachlosigkeit, die diese herrische Stimme erzeugen konnte. Er war geradezu überwältigt davon, daß ein Mann wie Japonchik diese Macht über redselige, langweilige, aber höchstwahrscheinlich anständige Bürger haben durfte, und er begriff, daß es höchste Zeit war, sich mit dem Räuberhauptmann zu einigen.
       Mischka hatte sich unterdessen erhoben. Sein Blick war eine Herausforderung, galt dieser und der jenseitigen Welt und brach sich doch bereits wieder an den Petitessen des Alltagsgeschäftes. Er schob die Hände in die Hosentaschen.
       »Hoffe, du wirst unserer Freundschaft den versprochenen Dienst erweisen, Zipperstein. Es wäre sonst schade um die verlorene

Weitere Kostenlose Bücher