Trojaspiel
Haushalts vorgerechnet, hat geschätzt, was Nicolai ausgibt und deswegen verdienen muß, und es klang so, als würde er es schwarz auf weiß besitzen und nur ablesen.«
Wenn Theo mit Manka spazierenging, dann führte sie ihn an der Hand wie eine Gouvernante, weil das Händchenhalten so nicht verdächtig war, das Paar wurde angestaunt, Manka genoß das nicht, war böse auf Krasnoglaz, der Theo in einigem Abstand folgte und dem Jungen so die Möglichkeit gab, auch Manka zu schützen, die die Straße als ihren Arbeitsplatz angab.
Theo gefiel diese Formulierung nicht.
»Es ist nicht so, wie du denkst oder gerne denken möchtest«, sagte die hübsche Brünette mit ihrer Kosakenhärte, obwohl sie gar nicht ahnen konnte, was Theo dachte, dessen rechte Hand streichelnd nicht nur ihre linke Hand, sondern die ganze Manka meinte, und der sich nicht entscheiden konnte, ob das die Folge einer Herzverwundung war oder die Folgen von Mankas Umarmungen oder sein erstmals nicht selbstloser Versuch, einem Gefühl der Verlorenheit zu entkommen.
»Ich möchte nicht mir schaden, sondern den Männern.«
Der Knabe sah sie erschrocken an, drückte aber ihre Hand noch fester.
»Denk nicht, daß du so einer bist«, sagte Manka, und in ihrer Besänftigung lag ein leichter Spott.
»Ich weiß, man hat es dir erzählt. Hättest es auch von mir selbst erfahren können. Ich habe Schwefelsäure genommen und sein Gesicht in eine blaue Blase verwandelt.«
Theo stellte sich Petrovs Schicksal vor, verband es aber mit Wassilevs Gesicht, nickte eifrig, nicht zustimmend, mehr als würde man über eine Strafe sprechen, die in der Zukunft läge.
»Er hat seine schöne Fratze verloren und muß arbeiten gehen. Soviel ich weiß, hat er etwas im städtischen Schlachthof gefunden. Im Peresyp. Zwischen Tierkadavern ist er gut aufgehoben.«
Sie schlenderten weiter durch die Kondratenkostraße und in die Katharinenstraße, Manka bedachte Theo mit ihren lauernden Seitenblicken, lächelte gelegentlich und hatte plötzlich eine Idee.
»Komm, ich zeige dir, wie ich mein Geld verdiene.«
Der Junge hörte nicht, hatte sich in Gedanken entfernt, zu der Stunde, als Wassilev in die gute Stube von Lisa Lanaieva und ihrem Sohn eintrat, um diesen Jungen, den Theo kaum noch erkennen wollte, auf seine Reise in die Hölle zu schicken.
»Meine Arbeit, kleiner Theo, ich zeige sie dir!«
Was sie darunter verstand, wollte sie ihm im Robina vorführen, dort, wo Petrov ihr so oft die feine Welt gezeigt hatte.
An einem Droschkenstand in unmittelbarer Nähe des Lokals blieben Theo und sein einäugiger Bewacher zurück.
Theos Freundin verschleierte sich und ging mit eiligen kleinen Schritten auf die Terrasse des Robina zu. Zwischen den schmückenden Palmentrögen angekommen, gestikulierte sie schon, atmete ungewöhnlich heftig und enthüllte mit spitzen Fingern ihr Gesicht. Manka faßte schließlich, einen kleinen, aber auf der Terrasse zur Geltung kommenden Schrei ausstoßend, einen Tisch in den Blick, an dem ein weichlich rosiger junger Mann zeitunglesend vor einer Flasche Roederer saß. –
Und dann begann ihre Arbeit.
Erfrischtes Gemurmel hob an, als das sichtlich hysterisch gewordene Mädchen sich rempelnd seinen Weg durch die Gäste bahnte, zarte Verwünschungen hören und reichlich Tränen fließen ließ. Einmal mehr bewies sich den vornehmen Zuschauern, wie sehr mancher ihrer jungen Herrn hier, bereit, der Welt jeden Genuß abzuringen, die Prinzipien der Ritterlichkeit vernachlässigte. Aber wie schön war es zu sehen, daß auch die Frauen sich nicht mehr scheuen brauchten, sich nehmen würden, was ihnen zustand und dabei, andere belehrend, die Technik des Theaters beachteten und ihre Rechte empfindsam, aber öffentlich zur Geltung brachten.
»Du Schuft«, keuchte Manka den dicklichen Herrn an, dem der Champagner nun nicht mehr mundete und der achselzuckend die Tischnachbarn seiner Unschuld versichern wollte.
»Läßt mich sitzen mit den Kinderchen, willst mich dem Elend überantworten und trinkst hier Champagner – ohne mich!« Mäßiges Gelächter wirkte wie Applaus, der Steigerung erbat, auch der angesprochene Kavalier zeigte erstaunt verschmitzt die Zähne, wollte vielleicht schon nach dem Kellner rufen, um ein leeres Glas bitten, seine Großzügigkeit war schließlich in Frage gestellt worden, und – immerhin – das Leben hatte ihn noch nie zuvor in den
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