Trojaspiel
zeigte sich ungeniert verliebt auf dem Meeresboulevard oberhalb der vielstufigen Treppe.
Aber an Mischka nagte es.
Was? – Er hätte es nicht genau benennen können.
Die Geschäfte liefen gut. Mehr Gold, als er ohne fremde Hilfe je hätte ausgeben können, klingelte in Kassen und Truhen.
Da gab es junge Leute im Nachwuchs der Organisation, denen vielleicht das Frühjahr, vielleicht auch die väterlich lenkende Hand Japonchiks zu milde geworden war . . .
Aber hatte Mischka nicht gelernt, das Beschwerliche einer geschäftlich grundsoliden Zeit, selbst die Prüfungen magerer Jahre auf leichte Schultern zu nehmen? War es das Archaische der Räuberseele, zu lange in duftende Bequemlichkeiten gehüllt, von gesellschaftlichen Masken erpreßt, das sich in alte Rechte setzen wollte?
In der Moldavanka war es zu Übergriffen gekommen, erschreckend für die Gemeinde und beleidigend für ihren König.
Aber warum – warum Mischka, hast du Probleme dieser Art nicht anders lösen können –, nur weil auch politisch im kommenden Jahr alle Diplomatie versagte? Weil du nicht auf der glanzvollen Höhe gesellschaftlicher Entwicklung, sondern ihr todesfinster voraus sein wolltest?
Es war ein nahezu sommerlicher Tag. Musik plärrte, ergoß sich aus dreizehn Spelunken in die schon wogende Mjasojedovstraße. Vor dem Riviera prügelten sich wankend Matrosen, in Fichtengolts Teegarten schlingerten beschwipste Pärchen beim Tanzen. Jugendliche ließen sich treiben, knackten schweigend Sonnenblumenkerne. Insekten taumelten um die Lichtgirlanden des Monte Carlo . Selbst im Kinosaal des Elefanten rauschte beständiges Wispern zwischen die Takte des Orchesters, weil diejenige, die es vermochte, der anderen Hälfte des Publikums vorlesen mußte.
Mischka aber weilte im Künstlerlokal, stand fest und recht unbeweglich im Gesicht vor drei Knaben, denen nicht wohler bei seinem Anblick wurde. Trotz bunter Lampen verwehrte das Monte Carlo heute den allgemeinen Zutritt. Da gab es also keine Künstler, da war nur noch Icko, in der Ecke kauernd, den man zusammen mit den dreien abgefangen hatte. Da waren auch ein paar stiernackige Gefolgsleute Japonchiks, da zeigten sich noch ängstlich schweigsame Lokalkräfte und sonst keine Seele.
»Da haben wir also Schmul Toivler, er ist sechzehn, da haben wir Josif Rosenberg, achtzehn, und Moschko Pozner, der ganze vierzehn Jahre zählt. Am 5. März haben sie sich zu dritt über ein siebenjähriges und ein neunjähriges Mädchen hergemacht, Schwestern waren es, am 20. zu dritt über eine Sechzigjährige, drei durch Zeugen belegte von fünf euch nachgesagten Fällen, die ihr auch nach dreimaliger Nachfrage von mir nicht einmal abzustreiten wagt. – Wißt ihr doch, daß man mir nicht ins Gesicht lügt.« Mischka lächelte.
»Aber was da klingt wie höhere Mathematik, sind im Grunde Verbrechen, die wir in unseren Reihen nicht ertragen wollen. Die Kindlein hatten noch am Mittag zu der Musik aus des Großvaters Ziehharmonika getanzt, gewunken und die Nasen rührend an die Scheibe gedrückt, als der Greis, der nichts ahnen konnte, seinen Spaziergang machte. Und Mariella, die jüngere, sagt man, wird es nicht überleben. Die Sechzigjährige, Katja Ismailova, aber hat ihren Verstand verloren. Die Wirtin von Dimitrij Uljanov. Sein Bruder ist Wladimir Iljitsch, genannt Lenin, der die Stadt Odessa als Abgeordneter im fernen London vertreten hat. Und so weiter und so fort. – Alle waren sie Menschen aus unserem Viertel, und so wird aus vielen Augen um sie geweint werden.«
»Ich aber«, sagte Mischka und zog seinen Browning, »ich weine nicht, denn ich habe ein Problem zu lösen.«
Er feuerte drei Male. Der jüngste, in den Kopf getroffen, flog nach hinten, so daß er sich einmal in der Luft drehte. Dem Toivler, der brabbelnd die Lippen gespitzt auf dem Boden lag und Schwimmbewegungen machte, stieß endlich Mischka seinen Stockdegen ins Herz. Das Hirn des dritten verteilte sich wahllos. Das Japanerchen hatte die Lippen zusammengekniffen, und auch seine Augen waren nur haarfeine Schlitze. Ein blutiger Brei saß erschrocken auf seiner gelben Seidenweste. An seinen weißen Manschetten klebten harzige Brocken wie wütende Augen. Steifen Schrittes verließ Mischka das Lokal. Dem Mann am Klavier warf er hundert Rubel hin. »Spiel endlich«, sagte er heiser.
Und Musik plärrte aus dem Monte Carlo , spülte über den schluchzenden Icko hinweg auf die
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