Trojaspiel
studierte, hatte längst bemerkt, daß sein Mitarbeiter abgelenkt war. Er hielt sich jedoch diskret zurück, begrüßte im stillen, daß der bescheidene Theo wohl endlich bereit war, verstrickt zu werden. Innerlich lachte er, denn er fand die Kosakin reizlos. Die schräg im Gesicht liegenden Augen, die seinen so langweilig ähnelten. Ihr Gesicht war zu mager. Auch setzte Mischka mehr auf ehrbare Frauen, die im Kern den Räuber suchten, weil das Leidenschaft bedeutete. Er pflegte ein einfaches Modell des Weiblichen, weil er oberhalb seines Hosenbundes nicht verführbar war.
Wie dieser Kerl bei Manka nach jeder Bestellung gleich die Rechnung verlangte und in großen Scheinen sein Geld vorzählte, war widerlich. Theo spürte, daß da vielleicht ein noch schlichterer Charakter sich verstecken wollte, als er vermutet hatte. Einer, der Grund genug hatte zu glauben, man könne ihn der Zechprellerei verdächtigen, einer, der jedenfalls nicht einmal den einfachen, bloß aufgesetzten, sich stetem Geldfluß verdankenden Adel von Räubern besaß.
Mischka war es gewohnt, anschreiben zu lassen oder das ganze Lokal freizuhalten. Er stellte deswegen ähnliche Überlegungen an und hatte – diesmal aufgrund von Lebenserfahrung – wieder ein einfaches Modell zur Hand. Der Räuber hatte schon Hunderten dieser Gecken, Stutzer, Nebenerwerbszuhälter, Mitgiftjäger, Heiratsschwindler und Hochstapler seine männliche Freundschaft versagt. Ihnen sogar körperlichen Schaden zugefügt, wenn sie im Kreis seiner Familie wilderten, und sie sonst keiner weiteren Beachtung für würdig befunden. Manka gehörte jedoch nicht mehr zur Familie. Sie war versuchsweise ehrbar geworden und sehnte sich wie die charakterlich Schwächsten der Diebe in die feine Welt. Das war menschlich und lachhaft für den Räuber, so komisch, daß es einen Humoristen gefordert hätte, zu beschreiben, wie Manka, mit ein wenig gestohlenem Geld auf der Seite, im Kaufhaus Listenberg Parfüm an die Frau brachte, nebenher eine Abendschule besuchte, Selbständigkeit anstrebte, um noch auf halber Strecke von einem dieser Laffen überrumpelt zu werden, der verlogener und bösartiger war, als selbst die Kosakin es sich je erlaubt hätte.
Mischka hinterließ, mit Theo zu einem Spaziergang im Stadtgarten aufbrechend, einen viel zu großen Rubelschein anmutig in seinem noch nicht zur Neige gebrachten Kaviarschälchen. Beim Verlassen der Terrasse registrierte er, daß entweder der Knabe an seiner Seite oder die ehemalige Kosakin oder beide zitterten – oder die Welt, als sie den Tisch der Brünetten passierten, elektrisch geworden war.
Es war 1912, nur ein halbes Jahr bevor Theo seine andauernde, am Ende zur Gewohnheit werdende Flucht begann, als Manka wieder in der Mjasojedovstraße auftauchte. Der junge Buchhalter, der ganz ungeniert auf Mischkas seidenes Bett hingestreckt lag, ein Päuschen einlegend, erblickte sie zuerst durch die angelehnte Tür. Sie kam singend mit ihrer Freundin im Arm die Treppe hinauf. Vielleicht war Alkohol im Spiel, und Theo, der sich wie eine orientalische Phantasie in der Seide räkelte, erfaßte ihren, sie seinen Blick, erwiderte den ihrigen nur momentlang und fand Härte, keine Verwandlung in Mankas Gesicht, tiefer nachgezeichnet war es sogar, aber es beunruhigte ihn nicht.
Erst als ihre Begegnungen, die auf so engem Raum nicht zufällig waren und von Madame Rubinov nicht verhindert, häufiger wurden, als er Mädchengespräche belauschen konnte, die wohl absichtsvoll hörbar ihm galten, kam mit der Erinnerung tröpfchenweise Wehmut, auch weil Manka das Weiche nicht zeigen wollte oder konnte. Umgehend begannen im Hause Gerüchte.
Mischka, der atmosphärische Veränderungen sofort wahrnahm, verriet es Theo. Nicht ohne Vergnügen schwelgte der Räuber im menschlich Lachhaften: Manka hatte alte Manieren auferstehen lassen und den Stutzer mit Namen Petrov, der zwischenzeitlich mit ihrem Geld und einer anderen Frau durchgebrannt war, zu einem letzten Rendezvous auf den Boulevard der Liebenden oberhalb der nicht enden wollenden Treppe bestellt. Hatte mehr Geld und noch größere, nämlich verzeihende Liebe in Aussicht gestellt. Dort oben (und das Schwarze Meer war wie immer stummer Zeuge) hatte sie den zu seiner alten Form aufgeblühten Kavalier leidenschaftlich geküßt, sogar sein Haar gepackt und den Kopf gehalten, ihm dann einen halben Liter Vitriol ins Gesicht gegossen und seine vergängliche Schönheit schon vor
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