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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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eigensinnig. Er hat diesen Architekten bauen lassen. Die Kapriole der Innenkonstruktion sollte mit dem Hotel finanziert werden. Verstehen Sie? So etwas wie eine urbane Version von einem Schloß mit einem labyrinthischen Lustgarten. Oder dachte er an ein Schneckenhaus? Ich habe keine Worte dafür. Etwas Vergleichbares hat es noch nicht gegeben. Für Schwartz besaß dieses Projekt wohl einen tieferen Sinn. Er war ein sehr gebildeter Mann. Dann stritten sich die Freunde, weil ihr Plan nicht aufging, das Geld wurde knapp. Schwartz wollte den Lustgarten verkleinern, um weitere Zimmer einrichten zu können. Das Hotel brachte nicht genug ein. Die Labyrinthkonstruktion des Architekten sollte verstümmelt werden. T. L., Thorvald Lenz, so hieß der Architekt laut Schwartz, hatte keine Eigentumsrechte an dem Objekt und mußte es geschehen lassen. Dieser Lenz war wohl ein hitzköpfiger Mann. Aus Wut oder Trotz verschwand er von einem Tag auf den anderen. Und dann mußte Schwartz verkaufen.«
       Ich sah Mahgourian verwundert an.
       »Das haben Sie ihm geglaubt? Ich vermute eher, T. L. – wie auch immer er heißen mag – ist verschwunden, weil das Hotel verloren war an einen – verzeihen Sie – Immobilienhai. Das Ergebnis seines ambitionierten Bauplanes im Besitz eines geldgierigen Fremden – was für ein Interesse hatten Sie eigentlich auf einmal an diesem Schwartz gefunden?«
       Mahgourian schenkte sich Rotwein nach. Dann sah er mich mit einem Blick an, der abwesend wirkte. Ich vermutete, daß ihm meine Einwände nicht unvertraut waren. Manches an dieser ungewöhnlichen Geschichte konnte durchaus anders sein, als er selbst es sich ausmalen wollte.
       »1947 habe ich mich von meiner Frau getrennt. Ich hatte ein paar Affären gehabt, mein Gott, nichts Ernstes. Ich mußte ihr unser Appartement überlassen und dachte mir –, was macht ein Mann von Welt in so einer Situation? – Er zieht in ein Hotel.Und ich besaß ein Hotel. Also zog ich in dieses Haus und lernte einen anderen Dauergast kennen, Herrn Schwartz, den Vorbesitzer. Wir verstanden uns dennoch gut. Er war ein beeindruckender, aber sehr steifer und kleinlicher Mensch. Schwartz trug stets Zylinder, was damals schon altmodisch wirkte, und bei aller Steifheit und trotz ein paar schrulliger, vielleicht sogar zwanghafter Angewohnheiten war er ein großer Idealist, hatte dabei eine direkte und fast kindliche Sprache, völlig frei von Ironie . . . Schwartz kannte jenen Minenbesitzer, dem die Sprachenschule einst gehört hatte. Er war einer seiner Ingenieure gewesen, bevor er sich entschloß, Kaufmann zu werden. Auf Sumatra hat er für ihn Grabungen beaufsichtigt und Bewässerungsanlagen gebaut. Dort ist Schwartz auch auf jenen Lenz getroffen: ein Ingenieur und ein Architekt. Beide hatten denselben Arbeitgeber. Und beide waren mit ihrem Leben unzufrieden. Lenz muß damals fast noch ein Kind gewesen sein. Schwartz behauptete sogar, sein jüngerer Freund habe nie eine Universität besucht, ein Autodidakt also. Er war dem Minenbesitzer von einem Geschäftspartner empfohlen worden. 1919 taten sich die beiden endgültig zusammen, verließen den Dschungel und kehrten zurück in die Zivilisation. Schwartz wollte seinen Tropenhelm wohl endlich mit einem Zylinder tauschen. Und dieser Lenz – nun, wahrscheinlich hatte er die Nase voll davon, nur Arbeiterunterkünfte oder Werks- und Lagerhallen zu bauen, und wollte einmal etwas Gewagteres angehen, etwas, das nicht bloß nützlich war, etwas, wovon er vielleicht schon seit Jahren träumte. Sie kauften die Sprachenschule. Der Unterricht war eingestellt worden. Nach Ende des Krieges wurden kaum noch Arbeitskräfte unter Einwanderern rekrutiert. Es gestaltete sich immer schwieriger, fähige Mitarbeiter für die Bauxit-Minen und das Aluminiumwerk zu finden, und man ging dazu über, vor Ort auszubilden. Vielleicht war es Schwartz’ vornehmer Zylinder, die Banken hielten anfänglich großzügig mit, ein maßvolles Hotelprojekt im überlaufenen Garment District, im Herzen der städtischen Textilindustrie, das klang attraktiv. Das Schulgebäude samt Grundstück lag mitten in Manhattans Nähstube, es war nicht teuer, und der Architekt arbeitete umsonst. Lenz wollte seine Labyrinthkonstruktion in ein bestehendes Bauwerk integrieren. Aber er stellte fest, daß die Statik des alten Gebäudes es nicht erlaubte. Also bauten sie es einfach leicht verändert nach.«
       Ich schüttelte den Kopf und sah Mahgourian belustigt an.
      

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