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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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Unfalls erst wirklich durchschaut habe. Diese Erkenntnis half ihm, zu seiner endgültigen Lehrmeinung über meine Bestimmungen und meinen Platz in der Welt zu kommen. Vom Versager wurde ich zum Teufel.Gnade, Duldung oder Erbarmen waren jetzt prinzipiell ausgeschlossen.
      
       Dadurch kühlte zwangsläufig das Verhältnis zwischen mir und ihm, der mich gerade erst verstanden haben wollte, auf die letzten möglichen Grade ab.Der Sinn meines Hierseins liegt, schenkt man meinen Eltern Glauben, im dunkeln, wie die Konstruktion in Mahgourians Hotel. So habe ich das Recht und nahm es mir erstmalig am Tage des Unfalls, ihn frei zu erfinden. Das Unglück hinterließ mich fassungslos, so gründlich zweifelnd, daß meine Welt tatsächlich neu entworfen werden mußte, denn schließlich braucht man Orientierung, ich erwähnte es eingangs.
      
       Wer T. L. ist? Keine Gewißheit, auch hier nicht, viele flüchtige Berührungen, und doch reicht er als einziger die Hand: seine Skizzen, die Pläne, seine Spuren: Man hält eine Muschel ans Ohr, wir alle kennen das, und hört das Meeresrauschen. Die tote Schale hat das Wesen, jenes ewige Fluidum des Elementes eingefangen, das sie hervorgebracht hat. Was für ein köstlicher Gedanke, die Elemente, sie prägen sich der Welt, die sie erschaffen durften, ein und verleihen zum Dank ihre unsterbliche Stimme. Der Wind singt in den versteinerten Farnen im Marmor unserer Fensterbank, die Sonne strahlt aus dem Bernstein, der prächtig und geheimnisvoll am Dekolleté unserer Freundin glänzt, das stumpfe, klebrige Fundament des Daseins, die Erde, die uns noch in jeder Hochhauswüste begegnet. Das Feuer, jene überwältigende Macht der Zerstörung, die sich in das ruhige Schwarz der Kohle kleidet, in das vulkanische Gestein tief unter unseren Füßen.
       Aber das sind Märchen. Selbst die Sache mit der Muschel. Es ist das Rauschen unseres Blutes, das wir hören, wenn die ovale Öffnung etwa einer Charonia Tritonis an unserem Ohr liegt.
       Es ist eine akustische Täuschung, ein Schallphänomen. Wir hören immer nur uns selbst, wie das Echo im Gebirge, unsere eigene Stimme, wir selbst geben uns Antwort. Die Elemente schweigen, halten sich bedeckt, so wie ich in Mahgourians Hotel. Nichts prägen sie absichtlich der Welt ein, wie graue Eminenzen wirken sie, aus der Entfernung, im unsichtbaren Hintergrund. Ihre Produkte haben einfach nur ein natürliches Gesicht. Unsere, des Menschen, Schöpfungen allein tragen die Züge eines individuellen Willens und seiner Zustände. Das Unverwechselbare unserer bedeutenden Artefakte ist verblüffend, wir erkennen einen Picasso, wenn wir ihn sehen, Mozart, wenn wir ihn hören. Es läßt sich herunterbrechen bis zu dem Landschaftsgärtner, der die Bankette auf dem Gemeinschaftsparkplatz vor unserem Wohnsilo entworfen hat. Achten wir also darauf, studieren wir es. Unverwechselbar. Selbstverständlich also, daß ein Zeitgenosse, der Spuren hinterläßt, ob absichtlich oder aus Versehen, auch anhand dieser Spuren aufgefunden werden kann, wenn man nur ernsthaft genug sucht.Ein beruhigender Gedanke. Das Meer von Spuren oder der Sumpf der Information, der uns umgibt, ist nicht das Ende.Einzelne Menschen sind für sie verantwortlich. Machen wir die Verschwundenen haftbar, wenn uns etwas nicht paßt. Finden wir jene Schattenwesen, die sich unserer Sehnsucht entziehen wollen.
      
      
       »Ihren eigenen Augen werden Sie mehr Glauben schenken als meinen Worten. Betrachten Sie es als ein Geschenk des Baumeisters. Als sein Vermächtnis«, sagte Mahgourian. Von seinem Gesicht konnte ich keinen Hinweis darauf ablesen, ob dieses Präsent ein Grund zur Freude sein könne oder – und dem düsteren Klang seiner Stimme gemäß – eine Büchse der Pandora.
       Wir standen vor der nur über ein verstecktes Treppenhaus erreichbaren Tür zum siebten Stockwerk. Dieses Treppenhaus betrat man von seinen Privaträumen aus. Es endete nach zwei Absätzen mit jeweils zwölf Stufen vor einer massiven Stahltür.
       Das war also der Zugang zum verbotenen Teil des Hauses. Mahgourian führte einen erstaunlich kleinen Schlüssel in ihr Schloß, und die Metalltür öffnete sich träge wie die eines schweren Geldschranks.
       »Hier begann alles«, sagte der Alte, nachdem er einen Lichtschalter im Inneren des offenen Flures betätigt hatte.
       Der Hotelier wies mit der Hand einladend in den schwach beleuchteten Raum, der sich vor uns aufgetan hatte. Er wirkte nicht

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