Trojaspiel
nichts, auch unsere Weigerung, schon angesichts Mahgourians Verfassung, diese sinnlose Suche noch länger mitzumachen, hat nicht den gewünschten Effekt. Weil Laszlo einspringt und seinem Herrn folgt, wie Krasnoglaz Theo, vielleicht wie Zack Laura und mir.
So bricht Mahgourian alleine im klimatisierten Geländewagen auf, Laszlo ist sein Chauffeur. Zack und Laura und ich bleiben, sitzen mürrisch beieinander, vermissen den Alten, fühlen uns wie Verräter und bewegen dann selbst ein Auto von West nach Ost über die Insel. Wir sehen schmutzige Strände, die rechte Freude will nicht aufkommen. Bis wir verabreden, selbst nach etwa hundertjährigen Greisen Ausschau zu halten, und natürlich keinem begegnen, weil man so reich an Jahren die eigenen vier Wände nicht mehr verläßt, verlassen kann, weil man als Mann von hundert Jahren hier wie andernorts meist bis auf die Knochen abgemagert ist und unter der Erde schläft.
Dann nach einer Woche, während wir trotz des Mißerfolges kein anderes Steckenpferd als die Suche nach dem Baumeister für unser Leben als wichtig erkennen wollen, kommt es zum Äußersten. Mahgourian ist mit frischer oder fortgesetzter Krankheit wieder bettlägerig geworden. Der Arzt, am Ende drei Ärzte verteilen gefaßte, dann besorgte Blicke, denn Mahgourian will nicht mehr ins Krankenhaus, aber auch nicht mehr in die Großstadt, hat sich mit der sagenhaften Geschichte der Insel, abseits ihrer Industrie, doch noch befreunden können. Er will nicht künstlich am Leben gehalten werden, will ein technikfreies Ende.
Natürlich schwitze ich an den Händen, natürlich werden mir die Augen feucht, ich kann das nicht erklären, als wir hören, er möchte uns einzeln und zuletzt mich sprechen . . .
Mahgourian liegt da, sanft, schmal und entmachtet, seine Geister haben ihn entlassen. Jetzt ist er ein nur Mensch, dem die Stunde schlagen, ein alter Mann, der endlich zur Ruhe kommen will.
Er bittet mich, seiner Stiftung (er gebraucht das Wort Hotel nur noch wie beiläufig) zur Seite zu stehen. Laszlo, dem ich dieses Ansinnen schon vorher abgeschlagen hatte, soll mich unterstützen, zusammen mit einem Anwalt. Ich könne meinen Freunden helfen und eine Familientradition fortsetzen. Aber der Gebetene erklärt sich außerstande. Mahgourian insistiert, spricht von Plänen, Bedenkzeit und einem Testament und glaubt, mich gefangen zu haben. Der Gebetene fühlt sich bedrängt, will schon gehen, als der Alte, jetzt selber trotzig geworden, mir seinen Tod ankündigt, dabei sachlich, nicht sentimental wie beim Erzählen wird und mir zuletzt sagen will, daß er das Beste, auch mit mir, versucht habe und daß am Ende doch nur der Tod ein Leben heile. Die Augen seines Zuhörers werden wieder feucht. Mahgourian fleht jetzt, bittet mich zu glauben, daß in dieser Legende oder Geschichte, entgegen Bianchis Behauptungen, T. L. nicht zum Verbrecher geworden, daß er schon gar kein Stiefvatermörder sei, sondern, im Gegenteil, ein großer Mensch. Ich nicke und schäme mich für mein Schweigen, schäme mich für meine Lügen, empfinde mich viel niederträchtiger als den anderen T. L., auch weil ich glaube, daß nicht nur Laura, sondern auch Mahgourian mich längst durchschaut haben, und der Hotelier mich nur aufgrund seiner Großvatergüte nicht mit Vorwürfen behelligt. Und dann erzählt Mahgourian und reißt noch einmal Witze über den treuen Laszlo, der, weil seinem Herrn die Kräfte mangelten, Tür und Tor geöffnet habe und damit die Geschichte zu ihrem Ende brachte. Jene Olga war keine Russin und keine Lehrerin, nicht einmal tot, sondern führte eine Pension, zog sich im Pensionsalter aufs Festland zurück, hinterließ Gerümpel, hatte telefonisch befragt an den Koffer erst keine Erinnerung, rechnete ihn dann der Hinterlassenschaft eines vergeßlichen Mieters oder des Vorbesitzers der Immobilie zu. Man befragte auch die Nachbarn und die Nachbarn von Nachbarn, den Bürgermeister und den Polizisten und den schwatzhaften Friseur von T. und S. und P.. Aber kein Theodor Lanaiev war bekannt, auch niemand, dessen Name die Initialen T. L. aufwies. Und Mahgourians Brust begann zu schmerzen, der getreue Laszlo drohte ebenfalls, den Dienst zu versagen. Die Rückkehr ins Hotel war eigentlich schon beschlossene Sache.
Eine Pause, in der Mahgourian mich erwartungsvoll ansieht. Ich setze mich endlich, er hatte mich bereits vergeblich aufgefordert, zu ihm ans Bett, greife auch nach seiner Hand und will ihm
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