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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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die letzte Sorge nehmen. Berichte ihm von den Zeitungsausschnitten, die mein Vater mir im Kuvert vor die Füße warf, Beiträge aus Odesskaia pochta , Odesskie novosti , Odesskii listok , Odesskii kurier , die sein verhaßter Großvater unter dem Siegel der Verschwiegenheit an seinen Erben und Nachfolger weitergegeben hatte. Mein Großvater, sein Erbe, unkritisch um das Wohl der Stiftung bemüht, hatte die Papiersammlung nicht einmal angeschaut. Mein Vater jedoch, aufgescheucht durch Mahgourians Besuch, hat sie übersetzen lassen. Lang und breit wurde da die Geschichte von Tristan Ladenburg erzählt, eines jungen Mannes und Mitgliedes der Japonchik-Organisation, der trotz seines jugendlichen Alters als Mörder des Bauunternehmers Wassilev gesucht wurde. Steckbriefe kursierten, Spitzel hatten diesen Jungen, dessen Behauptung gegenüber Zeugen, Wassilev sei sein Stiefvater, aus behördlichen Dokumenten nicht nachgewiesen werden konnte, in der nahen Umgebung der Gentleman-Unterweltgröße Moisei Wolfowitsch Winnizkij, genannt Mischka Japonchik, enttarnt. Er wurde gesucht, aber nicht gefunden. Von Mischka reich ausgestattet, war er geflohen.
       Das war, was Bianchi geahnt hatte und mein Vater mir mitteilen wollte: T. L., der Auslöser des Stiftungsirrsinns, war in Wirklichkeit ein geflohener Mörder. Der Verdacht dieses Vergehens heftete sich dem Baumeister an wie Pech.
       Mahgourian wartet mit glänzenden Augen, und ich gebe ihm endlich recht, bestreite alle Anwürfe und kann es nur, weil ich dem Alten aufmerksam zugehört hatte. Niemals wäre der Baumeister in der Lage gewesen, ein Verbrechen zu begehen. Ich wiederhole es hier. Und die Tatwaffe, jener Dolch, der zum Abschluß einer gründlichen Rasur in Wassilevs Herz gestoßen worden war, wie die Zeitung berichteten: Er besaß ein blaues Heft und war mit einem Affenkopf verziert.
       Dann heule ich, weil ich das Gespräch doch auf jenes Thema gelenkt habe, das es von Anfang an zu vermeiden galt. Das kein gutes Licht wirft, sondern mich der Lüge überführt. Trotzdem erzähle ich, weil es auf das Ende zugeht und Mahgourians Leben und die Geschichte erfüllt sind. Ich berichte, daß ich den Speicher damals nicht besucht, sondern bewohnt habe. Eine Erziehungsmaßnahme, die allerdings Kurzbesuche meines Vaters einschloß, die mich mitunter ins Krankenhaus und in die Kinderpsychiatrie führten. Dort blieb ich schweigsam, von der Schulpflicht war ich häufig entbunden. Statt dessen befand ich mich auf T. L.s Spuren, wollte den Speicher schon selbst nicht mehr verlassen, leugnete so das Gefängnis, wurde durch anwaltliche Winkelzüge und Beziehungen dem behördlichen Augenmerk entzogen und immer mehr dem Mutwillen meines Vaters ausgeliefert. Wie im Schauermärchen war es, nur weil mein Großvater die Villa und andere Vermögenstitel nicht dem Sohn, sondern dem Enkel testamentarisch überlassen und ihn damit, ohne es zu wissen, einem blutigen Straflager überstellt hatte, aus dem ich mit sechzehn Jahren aus Gründen der Lebenserhaltung ein letztes Mal ausbrach. Um dann endlich doch im Heim versorgt zu werden, bis ich dort und bei Schulbesuchen aneckte, das Gesetz nicht achtete, meinem Vater, der das Konstrukt des Baumeisters vernichtet hatte, mit dem Messer auflauerte, überwältigt wurde, ohne Führerschein einen Autounfall verursachte, dabei ein Kind tötete und am Ende meinem Vater für eine lächerliche Summe, die allerdings vorübergehende Freiheit garantierte, das Haus überschrieb.
       Geständnisse wie diese werden unter Tränen gemacht, nur einem Sterbenden macht man sie mannhaft, mir gelingt es jedenfalls, weil unsere Geschichte kurz davor ist, durch Mahgourians Tod geheilt zu werden, so empfinde ich es, und weil dieser verblassende kleine Detektiv mir ein Beispiel gegeben hatte.
       Die Sonne blinkte durch Fensterläden ins Zimmer, eine Klimaanlage schnaufte. Mahgourian, dessen Gesicht so schneeweiß geworden war, wie es das von Theo einmal gewesen sein mußte, der hinfällig aussah, drückte meine Hand und witzelte, das Ziel der Reise sei erreicht, auch wenn es für ihn keine Rückkehr mehr geben würde. Und dann erzählte er mit einem gewissen Triumph im Blick, wie er Laszlo, der mit der Einstellung seiner Dienste drohte, zum Teufel gejagt habe und aus dem Auto ausgestiegen war, mehrfach den ergebenen Diener verjagen mußte, bis er dessen Nasenspitze nur noch vorsichtig an Mauerecken auftauchen sah. Es war in dem kleinen Dorf M., wo sie Verstecken

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