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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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Arbeit war es nicht.«
      
       In Gedanken kehrte ich immer wieder zurück an das Ende des Labyrinths: ein fensterloser Raum mit einem Messingbett, einem Nachttisch, einer Lampe, einer Truhe, die allerdings leer war, einem Teppich und einem Kleiderschrank, der nichts anderes als eine Schneiderpuppe enthielt. So hatte der Speicher ausgesehen, mit dem alles begonnen hatte: Es war der detailgetreue Nachbau jener Nische auf dem Dachboden meiner Urgroßeltern, in der T. L. gelebt hatte, verborgen oder eingesperrt, bevor er verschwand, um in Sumatra wieder aufzutauchen. Auf dem Nachttisch das Holzmodell eines Hauses, es war die Villa meines Urgroßvaters, ein genaues Abbild. Man war versucht, dieses Puppenhäuschen aufzubrechen, um auf eine perfekt miniaturisierte und vielleicht sogar belebte Innenwelt zu stoßen. Aber nach einem staunenden Blick in die kleinen Fenster, die Zimmer in maßstabsgerechten Dimensionen zeigten, unterdrückte ich diesen Wunsch, erinnerte mich an den Fehler, den ich schon einmal begangen hatte.
       Ich erzählte Mahgourian von der Villa, verschwieg ihm aber, daß sie lange auch mein Gefängnis gewesen war. Es ist doch so: Jedes widerwillige Bekenntnis ist eine rohe Form, die der Wahrheit nicht gerecht werden kann. Selbst bei bestem Gewissen hat der Erzählende seinen Adressaten vor Augen und wird die Wirkungen seiner Worte berechnen, aus Furcht, sein Zuhörer könne sich abwenden. Nicht immer ist dabei allein der Zuhörer der Getäuschte. Die besten Lügen, so heißt es doch, sind diejenigen, an die der Lügner selbst glaubt. Also erzähle ich: Ich erzähle ihm, daß ich die alte Villa erst lange Zeit nach dem Tod meines Großvaters wieder betreten habe.
       Ich empfand Besitzerstolz: Dieses betagte, von Efeu und Kletterrosen umrankte Haus, verwinkelt und fast so groß wie ein Schloß, in dem es vielleicht spukte, in dem ich, wenn ich nur genau hinsah, bestimmt entdecken mußte, was an mir oder unserer Familie anders war, es galt als das schönste der ganzen Stadt. Seit dem Tode meines Großvaters, der das von seinem Vater erbaute Haus geerbt und bewohnt hatte, war es vermietet worden. Ich erinnerte mich an Gartengesellschaften, die ich als Kind erlebt hatte, an eine große Küche, in der es nach Apfelkompott und Entenbraten roch, und an die hohen mit Büchern gefüllten Wände einer ehrfurchtgebietenden Bibliothek, in der mein Großvater gebrechlich und abwesend in einem schweren Ledersessel saß und unbeeindruckt vom Rat des Arztes seine kubanischen Zigarren rauchte.
       Der letzte Mieter, ein Rechtsanwalt, hatte Wohnung und Kanzlei wenige Wochen zuvor aufgegeben. Das Gebäude sollte nach dem Wunsch meines Vaters in Eigentumswohnungen aufgeteilt werden und hatte sich bereits in eine Baustelle verwandelt. Bei meinem Streifzug im obersten Stockwerk angekommen, dort, wo früher die Schlafzimmer der Dienstboten lagen, fiel mir auf, daß die Luke zum Dachboden von der Tapete verdeckt wurde. Das dritte Stockwerk hatte dem Rechtsanwalt als Lagerraum für Akten gedient. Der Speicher selbst war unbenutzt geblieben. Ich stellte eine Leiter auf und versuchte den versteckten Riegel der Luke zu öffnen. Obwohl ihn kein Schloß sicherte, gab er nicht nach. Alte Farbschichten und Rost hielten das Metall am Scharnier. Erst nach einer Weile gelang es mir, ihn loszuschlagen. Staub und Putz rieselten, als die Luke sich öffnete, und der Geruch von Kalk, rostigem Eisen und muffigen Lumpen stieg mir in die Nase. Da oben war kein Licht, das Dach, eine eigenwillige Konstruktion aus Zinn und Schieferplatten, besaß keine Fenster. Als mein Kopf knapp über der Höhe des Bodenrandes war, streckte ich den Arm hoch über mich in den Raum und ließ den Lichtkegel meiner Taschenlampe durch das Dunkel wandern. Nicht nur Staub, sondern auch eine seltsam bleiche, das Licht reflektierende Substanz bedeckte die Dielen. Holzmehl. Am schmalen Ende des Raumes unter der Dachschräge stand eine Werkbank. Ich erkannte Sägen, Bohrer und anderes Werkzeug, das an Brettern hing und in Regalen lag wie in einer Werkstatt. Der restliche Teil des Raumes war wie eine Wohnung möbliert und wirkte, als wäre er eben verlassen worden. Ein Tisch stand da, Stühle, eine Anrichte und etwas, das aussah wie eine Waschgelegenheit, so wie man sie vor langer Zeit in einem Zimmer ohne eigenes Bad hinter einem Paravent aufgestellt haben würde. Es gab eine Bücherwand, Vitrinen mit Gläsern und Geschirr sowie zwei Hocker, auf denen Vasen

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