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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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Ufern des Sees Van, aber seine Vorfahren kamen aus dem Khanat Eriwan und mußten unter Nicolai I. zwangsweise Russisch lernen. 1910 bin ich auf dem Rücken meines Bruders aus unserer Heimat geflohen. Zunächst nach Odessa, da war es hilfreich, die Sprache Puschkins und Lermontovs zu verstehen . . .«
       Ich sah ihn verwundert an und stellte verlegen meine Flasche ab.
       »Nicht wahr, Sprachen lernt man am leichtesten vor Ort, im Ausland. Aber Sie? – Sie sind noch nicht sehr viel in der Welt herumgekommen.« Mahgourian lächelte gutmütig.
       »Ich spreche kein Russisch«, sagte ich leise.
       »Ihre Angelegenheiten gehen mich eigentlich nichts an.
       Ich bin auf der Suche nach ihm . Mittlerweile begreife ich allerdings, daß Sie und Ihre Familie dabei eine größere Rolle spielen, als ich erwartet hatte. Der einzige Anwalt, der diese Villa je bewohnt hat, ist Ihr Vater. Die Ludwigs haben das Haus bis heute nicht aufgegeben, und wie ich hörte, hat Ihr verstorbener Großvater es Ihnen vermacht. Sie verschweigen mir viel, Tonio Ludwig. Nun, Sie werden ihre Gründe dafür haben. Aber Sie zwingen mich dadurch, mitunter konspirativ vorzugehen, nicht weil ich Ihnen schaden möchte. Im Gegenteil, ich habe eher den Eindruck, Sie könnten im Begriff stehen, sich selbst zu schaden, und daß ich die Pflicht habe . . .«
       Mahgourians predigerhaftes Wohlwollen war zu einer Grimasse verkommen, die teilnahmsvoll Konsonanten und Vokale formte, eine gewiß rührende Geste, aber mit dem selbst im benommenen Zustand wahrnehmbaren Unterton von Respektlosigkeit. Hätte er nur geschwiegen, wäre mein Zorn nicht geringer ausgefallen, alles war bereits geschehen, was man hatte tun können, um mich noch weiter in die Enge zu treiben, ob mit oder ohne sein Mitwirken. Laura hatte mich verraten oder war mir verlorengegangen, mein Vater hatte die letzte Karte seiner bitteren Rache aus dem Ärmel gezogen – und Mahgourian beleidigte mich durch sein unerbetenes Mitleid.
      
       »Kümmern Sie sich doch um Ihre eigenen Angelegenheiten – ich begleite Sie, weil Sie es gewünscht haben. Aber jetzt beende ich dieses Engagement. Ich habe Ihre selbstgefällige Art satt! Meine Eltern sind Fremde für mich, und warum das so ist, mußte ich Ihnen nicht auf die Nase binden. Trotzdem haben Sie den Nerv, sie ohne meine Einwilligung aufzusuchen, meinetwegen, aber Laura, die meine – die eine Art Freundin ist, Mitgefühl ausnutzend, zu meiner Mutter zu schicken, in der Hoffnung, noch ein oder zwei Dinge zu finden, die Ihnen Macht über mich geben könnten, sie in die Nähe meines Vaters zu lassen, der ein ganz und gar unberechenbarer Mensch ist . . .«
       Meine Gedanken verwirrten sich, nicht nur, weil ich nicht wußte, was ich mit all diesen Vorwürfen am Ende erreichen wollte, sondern weil ich sah, wie Mahgourian sich wand und einen ungläubigen, sogar gequälten Eindruck machte.
       »Ich habe die junge Dame nirgendwo hingeschickt, das müssen Sie mir glauben. Meine Absicht war es nie, irgend jemanden unter Druck zu setzen. Nicht jeder ist so vernarrt in den Gedanken eines ausweglosen Schicksals, junger Freund, andere suchen Zuwendung. Ich habe eine Hand gereicht und Hoffnungen nicht ausgenutzt, sondern erst ermuntert. Fräulein Laura hat mich lediglich zweimal ins Archiv begleitet, gegen meinen Willen, sie wollte sehen, ob ich mir nicht alles nur aus den Fingern sauge. Ich habe Laura nichts über Sie erzählt, und wenn sie tatsächlich Ihre Mutter aufgesucht hat, tat sie es aus freien Stücken.«
       Mahgourian sprach bestimmt und ruhig, meine Vorwürfe machten ihm offensichtlich weniger Sorgen als die Ursachen für meinen unerwarteten Ausbruch, jeden Moment würde er sein gütig verzeihendes Lächeln aufsetzen, oder, schlimmer noch, er würde mir empfehlen, mich auszuruhen und über alles nachzudenken. Wie unerträglich war dieser alte Mann geworden, dessen Selbstachtung so unangreifbar war, daß er jede Kränkung als Mißverständnis betrachtete und seinen Gegner damit erbärmlich machte.
       »Sie lügen. Was für einen Grund sollte sie haben. Sie hat genügend Probleme mit ihren eigenen Eltern, warum sollte sie sich für meine Familie interessieren.«
       Wieder sah mich Mahgourian verständnislos an.
       »Hat sie Ihnen von ihren Eltern erzählt?« fragte er unsicher.
       »Das geht Sie nichts an«, erwiderte ich wütend.
       »Nach dem Vorfall im Park etwa?« fragte er matt.
       »Es ist vielleicht eine

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