Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
Vom Netzwerk:
endlich, wie er in Scham und Not durchs Zimmer stolperte, eine mit Seidenpapier ausgelegte Pappschachtel rettete, in der allerdings, wenn das Smokinghemd am Bügel hing, Herr Giocondo seine privaten Notizen aufzubewahren pflegte. Dies war zuletzt der Fall gewesen.
       Und der Polizeidiener, nun, wen wundert es, ein tierliebender junger Mann vom Lande, der gewöhnlich den ganzen Tag nur Strafmandate ausstellte (die letzten für Ordnungswidrigkeiten wie: die Gänse auf dem Markt laufen gelassen, dem Nachbarn einen Schrubber auf den Kopf geworfen, bei einer öffentlichen Bekanntmachung mit dem Fuhrwerk gefahren usw.), dieser Polizeidiener öffnete nur ein wenig den Mund, weitete nur ein wenig die Augen und machte sich dann äußerlich scheinbar unbeteiligt in die Hosen.
       Zur Ehrenrettung von Blüthgen muß man sagen, daß er, der jene goldbeschlagene Zigarrenkiste geöffnet hatte, deren Inhalt die Ursache dieses Durcheinanders war, zunächst nur ein Seufzen hören ließ, ein leises ›Ach‹, so wie damals, als er unruhig vor dem Kreißsaal auf- und abmarschierend erfahren durfte, daß seine Frau Zwillinge zur Welt gebracht hatte. Dann stellte er ruhig und gemessen die Kiste aus feinem Jakarandaholz auf einen kleinen Rauchtisch, setzte sich ungeniert in den gemütlichen Lehnsessel des Herrn Giocondo und betrachtete abwechselnd seinen kotzenden Assistenten und den wachsenden Fleck am Hosenboden des Polizeidieners.
       Schließlich, es war eine ganze Weile vergangen, in der übrigens keiner der Polizisten Anstalten machte, der Witwe, die unter dem Schrankkoffer halb begraben lag, aufzuhelfen, schlug er ein Bein über das andere, stützte das Kinn in die Hand und machte ›tstststs‹, Zischlaute, die er zum ersten Male von sich gegeben hatte, als er erkennen mußte, daß jene Zwillinge nicht von ihm gezeugt sein konnten, denn er war blond, und niemand in seiner Familie hatte jemals so dunkle Haare und solch hübsch glotzende Haselnußaugen gehabt, ja, und dazu diese winzigen Ohren, die gleichen wie der junge Geselle des Stellmachers, der Sohn eines Pomeranzenkrämers – tatsächlich, einem Kriminalisten wie ihm konnte man nichts vormachen.
      
      
       Mahgourian straffte die Schultern und runzelte die Stirn, als er seine Erzählung unterbrach, um zunächst nur einen Schluck Wein zu trinken. Dann erhob er sich und ging mit weiten Schritten durch den Raum, die Arme auf dem Rücken verschränkt und sich ungewöhnlich laut räuspernd. Er schien angestrengt nachzudenken. Schon vorher war mir aufgefallen, daß der Blick des alten Mannes, der während seiner Ausführungen an anderen Tagen nur in sich selbst geruht hatte, heute einige Male zu Laura gewandert war, ausschließlich zu ihr, und daß er Sorge ausdrückte.
       Der Hotelier hatte trotz der heiteren Untertöne seines Berichtes die meiste Zeit ein gleichmütiges, nur manchmal leicht belustigtes Gesicht gemacht. Alle saßen wir bequem, das Frühstückszimmer war nur schwach beleuchtet, und jeder schien, während er andächtig zuhörte, sich die Situation des Herrn Giocondo auszumalen oder die des Kriminalbeamten Blüthgen, sogar Zack, ohne dabei besonders auf den begnadeten Geschichtenerzähler selbst zu achten. Ich studierte hauptsächlich meine gekreuzten Beine, Laura hatte auf dem kleinen Sofa gegenüber ihre Knie angezogen (ihr Gesicht war Mahgourian zugewandt, ich konnte es nicht erkennen), und der Professor an der Terrassentür observierte die Straße. So erschrak ich, als ich, unvermittelt aufblickend, in Mahgourians Gesicht sah. Nahezu entsetzt betrachtete der Alte Laura, als würde er plötzlich eine schreckliche Ahnung haben, die ihn mehr beschäftigte als die angemessene schauspielerische Begleitung seiner Erzählung.
       Aber noch ehe ich eine Frage an ihn richten konnte, hatte er schon ein gekünsteltes Lächeln aufgesetzt, denn ihm war auch diese Regung seines Publikums nicht entgangen. Und jetzt lief er in einer schon fast lächerlichen Verlegenheit zwischen Tischen und Stühlen auf und ab und würdigte uns dabei keines Blickes mehr. »Was weiter?« brummte Zack plötzlich und erinnerte daran, daß Laura schon seit geraumer Zeit vergessen hatte, ihm den Fortgang von Mahgourians Erzählung zu übersetzen.
       Der Hotelier begann heftig seinen Kopf zu schütteln, aber seinen albernen Spaziergang unterbrach er nicht. Der Professor drehte sich, neugierig geworden, um. Laura hatte das Gesicht unter ihren Haaren verborgen. Sie schien

Weitere Kostenlose Bücher