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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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Professor kurz zu. Er kippelt ein wenig. Finger klopfen ungeduldig gegen Papier. »Hab mir ’ne deutsche Zeitung gekauft heute morgen. Bis auf den Alten seid ihr ein ziemlich fauler Haufen.
       Wie kann man nur so lange schlafen.«
       Ich gähne kurz, und Zack macht eine abwehrende Geste, von einem Kopfnicken begleitet.
       »Ok, ok«, sagt er, »ich verstehe.«
       Zacks psychische Stabilität ist mir ein Rätsel. Man sollte meinen, er wäre ausgezehrt, von Krankheiten und widrigen Lebensumständen gezeichnet, ein beharrlicher Konsument des Elends, der nach Mitteln schreit. Aber er sitzt hier mit dem für uns uneinholbaren Muskelbild eines Video-Clip-Gangstas oder Olympioniken und versucht eine Zeitung zu lesen.
       »Diese Buchstaben«, sagt er, »lies mal. Das klingt, als hätte man Mundfäule.«
       »Das ist keine deutsche Zeitung, Zack«, sage ich milde, »das ist holländisch.«
       »Verdammt«, brummt der Professor. Er schüttelt den Kopf.
       Ich kratze meinen nackten Bauch und setze doch eine schulmeisterliche Miene auf.
       »Außerdem – schau mal auf das Datum. Die ist acht Wochen alt. Wo hast du die her?«
       Der Professor, mit gesenktem Kopf, faltet langsam und sorgfältig seine Lektüre, schämt sich vor mir. Eine Zeitung kaufen sollte eigentlich nicht so schwer sein.
       »Das war Charity. Sie ist von einem Typen im Park. Er hat drauf geschlafen.«
       Dann wirft er die Zeitung einfach über das Geländer, und De Telegraaf segelt gemächlich auf den Boden, um eine Parkverbotsmarkierung in der Hoteleinfahrt zu bedecken.
       »Diese Stadt ist so verdammt sauber«, murmelt der Professor.
       »Der Schmutz sitzt nur tiefer«, sage ich, während ich versuche, zwei merkwürdige Gestalten zu fixieren, die eine könnte Mahgourian sein, sie spazieren über den Bürgersteig einer Querstraße. Ein burleskes Duo, der eine klein und mit diesem eckigen Reptiliengang des alten Hoteliers, der andere hager, dunkel gekleidet, im steifen Schritt eines belebten Strichmännchens oder Leichenbestatters. Dann, direkt hinter uns, öffnet sich eine Tür und Lauras Kopf taucht kurz auf. Sie blickt verstohlen nach links und rechts und stellt einen Papierkorb, aus dem Flaschenhälse ragen, in den Flur. Die Tür knallt laut, rotes Pendelschwingen am Knauf besagt, daß Störungen unerwünscht sind.
       Zacks Daumen wischt kurz auf Bauchhöhe über mein Hemd, entfernt einen imaginären Staubfilm.
       »Das fühlt sich an wie Kissenfüllung. Tu was für deinen Körper.«
       Der Professor wirkt plötzlich munter, wahrscheinlich will er mich aufheitern.
       Es ist Mahgourian, eindeutig, der sich da dem Hotel nähert. Seine Begleitung gestikuliert mit linkisch wirkender Begeisterung. Mahgourian wirkt gelassen, zurückgezogen.
       »Ich habe meine Muskeln hier oben«, entgegne ich, den Kopf rollend, Zack, der plötzlich mit der Hand vor meinen Augen herumwedelt.
       Ich gehe zurück in den Gang, ein kurzer Blick. Aus Lauras Alueimerchen ragen Riesling und Müller-Thurgau, leichte Frauenmittel, an mir rein vergeudet.
      
      
       Ich bin auf alles gefaßt und treffe sie tatsächlich am Abend auf öffentlichem Gelände. Die Cafébar, die Hotelbar in der Lobby, der Konferenz-, der Frühstücksraum, die Fitneßoase, alle gemeinsamen Rückzugsgebiete, ich habe stundenlang patrouilliert, nur weil ich nicht klopfen mag.
       Sie steht vor mir, wir lehnen etwas verlegen am verwaisten Tresen der Cafébar. Das unleugbare Leben starrt uns an. Es gibt kaum Hoffnung für uns, das zeigt schon der erste Blick.
       Laura verliert keine Zeit, Geplänkel, das weiß ich, würde es ihr schwermachen, wieder ernst zu werden. Diplomatie ist nicht ihre Sache. Sie läßt sich von Gedanken absorbieren und wird sie nicht wieder los. Auch eine Form von Untergrund, durch den sie taucht, den Kopf nie über Wasser, ›übersteigerte Resonanzfähigkeit‹ hatte Mahgourian es genannt.
       »Du hast uns verschwiegen, was wirklich passiert ist. Du hast uns alle belogen. Warum?«
       Der Vorwurf von ihr ist ohne Groll, mehr Ausdruck von Enttäuschung, sogar Resignation: die Lüge, die das Vertrauen zerstört.
       Da ist plötzlich etwas in ihrem Blick, das es mir schwermacht, nicht die Fassung zu verlieren. Ich bin wieder irgendwer für sie, sagen mir die Augen, die verschlossen sind, klein, unzugänglich, so wie jeder, die ganze Welt, irgendwer für sie ist.
       Ich schweige trotzdem, kommentiere nicht.

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