Trojaspiel
schweißbedeckt, mit krampfender Miene führte er eine Art Kosakentanz auf und brach wenige Sekunden später tot zusammen.
Sklarz war ein hohes Tier, die Umstände seines Todes möglicherweise skandalös, und ein Militärarzt, der den Leichnam untersuchte, hieß es, hatte entschieden, daß es sich um akutes Herzversagen gehandelt haben würde.
Wer Sklarz kannte, jemanden, der mit der Champagnerflasche in der Hand und freiem Oberkörper winters durch die Hauptstraße geritten war, denn er hatte die Lebensgewohnheiten, wegen derer er an diesen entlegenen Garnisonsposten verbannt worden war, nicht aufgegeben, der wollte nicht glauben, daß dieser Riese, der aussah wie der teutonische Siegfried auf den Holbeinstichen zum Nibelungenlied, auf so klägliche Weise gestorben sein konnte.
Auf höhere Weisung hin wurden die Organe des Toten entnommen und nach Berlin geschickt zu einer gerichtsmedizinischen Untersuchung unter Ausschluß der zivilen Öffentlichkeit. Der untersuchende Toxikologe gewann ein Extrakt aus den Organen. Er ließ ein Tröpfchen davon auf seine Zunge träufeln und spürte dabei ein heftiges Prickeln, woraus er schloß, daß Leutnant Sklarz mit Aconitin vergiftet worden war.
Ja, Herrschaften, und nur einen Tag später erhielt Blüthgen unvermittelt einen Brief von Kriminalkommissar Gennat aus Berlin, einer Berühmtheit in der Mordermittlung mit legendären Erfolgen. Dieser Mann, der für gewöhnlich schon aufgrund seiner Leibesfülle ein eher gemütliches Temperament hatte, seine Mitarbeiter nannten ihn liebevoll ›Buddha‹, verhöhnte Blüthgen und verbat sich, mit den skurrilen Reisesouvenirs eines Italieners, der vermutlich nicht mehr als ein kleiner Betrüger, Dieb oder Heiratsschwindler war, einen solchen Zirkus zu veranstalten und andere vom Arbeiten abzuhalten, und wenn er schon unbedingt wissen wolle, wo Francesco del Giocondo denn verblieben sei, solle er doch einmal in den Louvre gehen und seine Frau, die Florentinerin Lisa del Giocondo, kurz Mona Lisa genannt, fragen, wo denn ihr Ehemann sich in den letzten vierhundert Jahren so rumgetrieben habe.
Einen weiteren Tag später schloß Blüthgens Vorgesetzter für ihn die Akte Giocondo, die Untersuchungen zum Verschwinden des Italieners wurden eingestellt, obwohl er weiterhin als vermißte Person gelten mußte. Nur der fremde Junge, dessen Streich während der Parade nicht vergessen und der trotz seiner Verletzungen aus dem Krankenhaus geflohen war, der bildhübsche Knabe, der den Fahrradausweis eines seit vierhundert Jahren verstorbenen florentinischen Adligen mit sich geführt hatte, blieb weiterhin zur Fahndung ausgeschrieben.«
Mahgourian räusperte sich, dann fuhr er fort:
»Was Blüthgen nicht wußte, und was er auch nie mehr erfahren sollte, war, daß die Akte nicht nur geschlossen, sondern auch entfernt wurde, zusammen mit allen Dokumenten und Asservaten, einschließlich der Hand des Italieners und seinem kostbaren Reisegepäck. Es war keine Spur mehr von diesen Vorgängen im Stadtarchiv vorhanden. Was ich allerdings entdeckte, und Fräulein Laura ist meine Zeugin, war der Nachlaß von Blüthgen, in dem sich Kopien aller wichtigen Dokumente und Aufzeichnungen sowie sein Tagebuch fanden.
Eine Enkelin von ihm, die Tochter eines seiner ungeliebten Söhne, hat diesen Nachlaß vor etwas mehr als zwanzig Jahren der Stadt vermacht, hauptsächlich deswegen, weil Blüthgen seine Dokumente in der Schrulligkeit des Alkoholikers, oder weil er so seinen Fällen noch einmal die Bedeutung verschaffen wollte, die sie schon lange nicht mehr besaßen, auf jeder dritten Seite mit dem Stempel ›streng geheim‹ versehen hatte.
Aber die Neugier, die sich tatsächlich ja an solchen Hinweisen erst entzündet, hat sich in den vielen Jahrzehnten nach seinem Tod nie eingestellt, bis letzte Woche . . .«
Als wir uns erhoben hatten, benommen wie Teilnehmer an einer Seance, trat Mahgourian auf mich zu und hielt mich sachte am Arm zurück. Ich sah ihn fragend an, blieb aber.
Zack schlurfte gähnend in den Flur, um auf sein Zimmer zu gehen. Er nickte uns müde zu und grinste dabei wissend.
Laura drehte sich scheu zu mir um, als sie den Flur erreichte, ich schnitt ihr eine affige Grimasse. Betont unbefangen griff ich dann nach meiner Wodkaflasche und nahm einen langen Zug.
»Soviel können Sie gar nicht trinken, junger Mann«, hörte ich ihn gedämpft murmeln, mit einem
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