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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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zwei Jahre zurück, und so stürmte Blüthgen eines Abends einfach in den Kohlenkeller der Wache, neben dem die Asservatenkammer seiner Dienststelle lag (er hatte seinen kalten Tee an diesem Tag übrigens mit reichlich Arrak versetzt), holte das Weckglas mit der Hand aus dem Regal und bedruckte innerhalb von einer halben Stunde mit einem fast kindischen Eifer alles weiße Papier in seinem Schreibtisch mit den geschwärzten Hautleisten der Giocondoschen Hand, und zwar in ihren sämtlichen Partien, von den Fingerbeeren bis zum Daumenballen, mit allen Bögen, Schleifen und Wirbeln, bis die Kautschukwalze glühte, der Vorrat an Tuben mit Druckerschwärze zur Neige ging und das ehemals so einwandfrei manikürte Beweisstück mit der Asservatennummer eintausendfünfhundertsechsundachtzig aussah wie die Hand eines ordinären Schornsteinfegers oder Minenarbeiters. Diese Blätter schickte er innerhalb von zwei Wochen mit einem kurzgefaßten Begleitschreiben, das die Umstände seines Falles erläuterte, an sämtliche übergeordneten Dienststellen im Reich, auch an den italienischen Gesandten in Berlin (mit der Bitte um Weiterleitung), und war voller Hoffnung, so das Rätsel der Hand lösen zu können. Aber bevor er schließlich einen für ihn verhängnisvollen Brief aus dem Berliner Polizeipräsidium erhielt, sollte er nur feststellen, daß die Suche nach der Person, der die mumifizierte Hand zuzuordnen war, der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen glich, nur daß nicht einmal sicher war, ob es den in Frage kommenden Heuhaufen überhaupt gab.
       Die Probleme lagen sozusagen auf der Hand: Warum sollte das sonderbare Relikt aus dem Besitz des Italieners gerade auf einem deutschen Registraturbogen seine Spuren hinterlassen haben? Außerdem wurden Fingerabdrücke bislang ausschließlich von Straftätern gewonnen, von gewohnheitsmäßigen Verbrechern und Vagabunden, die Giocondosche Hand sah allerdings nicht aus wie die Hand des klassischen Insassen einer der zahlreichen Straf-, Zwangsarbeits- oder Besserungsanstalten des Reiches. Man konnte sich nicht sicher sein, ob diese Hand in Deutschland oder überhaupt jemals erkennungsdienstlich behandelt worden war.
       Und dann überstürzten sich die Ereignisse.
       Noch während Blüthgen brummend die wachsende Zahl von Antwortschreiben mit negativem Bescheid durchsah, trug einer seiner schlafmützigen Assistenten mit unbeeindruckter Miene den Bericht einer Laboruntersuchung über den Inhalt des Mörsers, den man auf Giocondos Fensterbank gefunden hatte, in das Büro des Kommissars. Blüthgen, in Gedanken versunken, überflog das Papier desinteressiert, aber dann, auch wenn man es ihm äußerlich kaum ansah, bekam er einen so gewaltigen Schreck, daß er die Dosis Arrak, die er in seinen Tee mischte, von diesem Abend an verdoppelte.
       Der Mörser erhielt fast dreißig Gramm eines hellgrauen Pulvers, das Giocondo aus der getrockneten Knolle des blauen Eisenhutes gewonnen hatte, des giftigsten Gewächses unter allen heimischen Kräutern. Der enthaltene Wirkstoff, das Alkaloid Aconitin, war zwar in geringsten Dosen auch als Mittel gegen Nervenschmerzen zu verwenden. Aber die Verarbeitung, die Herr Giocondo gewählt hatte, der allen Indizien nach wohl kein reisender Apotheker oder Pharmakologe gewesen sein konnte, deutete darauf hin, daß hier jemand auf denkbar einfache Weise an das stärkste Pflanzengift kommen wollte, das in Europa zu finden war. Bereits ein bis zwei Gramm der zerriebenen Knolle, hatte der Toxikologe des kriminaltechnischen Labors in Berlin lakonisch notiert, waren für einen ausgewachsenen Mann absolut tödlich. Blüthgen schauderte bei der Lektüre dieses Berichtes allein schon deswegen, weil er bei der Durchsuchung des Zimmers versucht gewesen war, die Fingerspitze zu befeuchten, um von dem seltsamen Pulver zu kosten, sich dann aber doch entschieden hatte, es zu einer fachgerechten chemischen Untersuchung einzuschicken, da seine Dienstelle vor Ort noch nicht über geeignete Labore verfügte.
       Und diese Spur führte den Kommissar zum Fall des Leutnants Sklarz, eines hohen Tieres mit Verbindungen zum Generalstab. Der war, nur drei Tage bevor man die Räumlichkeiten des Italieners aufgebrochen hatte, im düstersten Schanklokal des Städtchens in großer Runde zechend plötzlich aufgesprungen, nachdem er seinen Zechkumpanen mitgeteilt hatte, er fühle sich, als ob er statt Blut Eiswasser in den Adern habe, sein Gesicht war fahl gewesen und

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