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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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auf der Suche nach etwas, was es nicht gäbe – und nie gegeben habe.
       Ich verstehe den Professor nicht recht.
       »Wenn er in sein Hotel zurückkehrt, dann nur, um sich aufzuhängen. Er brennt hier die letzten Treibstofftanks ab. Die Lebensrevue auf dem Sterbebett, der letzte Film. Er hat ihn schon eingelegt. Er macht das absichtlich. So wie du den Autos entgegengelaufen bist.«
       Zack paßt im Augenblick nicht in das Konzept einer Welt, deren Konturen verblassen. Sein unausgesetzt arbeitender Kiefer, wenn er spricht, die Hände, die sich unablässig bewegen, stören einen Prozeß der mittelbedingten Konsolidierung. Trotzdem, da dringt ein Stück Rührung durch für seine Anteilnahme.
       »Also auch ein Unglücklicher«, krächze ich theatralisch.
       »Nein, kein Unglücklicher«, sagt Zack, »denn er hat Macht über Menschen. Er ist wie einer dieser Kobolde im Märchen, die du triffst, wenn nichts mehr weitergeht. Er stellt dir ein paar Fragen. Eine falsche Antwort, und du landest in der Hölle.
      
      
      

R o m
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      

 
     
       Reisen Sie gerne? Zugfahrten bringen die Illusion permanenter Veränderung, ruhende Naturgemälde, belebte Momentaufnahmen in der Nähe der Städte, aber im Grunde zieht die Welt in zyklischen Wiederholungen an Ihnen vorbei wie bei einer Karussellfahrt, die Schienen schneiden sich durch immer gleiche Zusammenballungen von Landschaft und besiedelter Fläche. Auf Wiesen und Äcker folgen Vorstädte und Städte, schließlich Bahnhöfe und wieder die Stadt und Vorstadt, Acker und Wiese bis zur nächsten Station. Übergänge in andere Lebensweisen und Klimabereiche variieren das gleiche Grundmuster, während Sie zufällige Begegnungen mit Mitreisenden ordnen, den muffigen Geruch getrockneter Kaffeeflecken und versteckter Obstreste, das organischere Odeur brütender Menschen in der Nase haben, Walkmangeplärre und fremde Konversation im Ohr. Alles auf der sinnlichen Ebene wenig kontrastreich, die absorbierenden Außenbilder und die eintönige Reizkulisse im Zug eher lähmend.
       Ich aber bin glücklich.
       Meine Heimatstadt im Rücken. Mahgourian hat recht gehabt, ich konnte es nicht erwarten zu verschwinden. Wir reisen im komfortablen Erster-Klasse-Abteil. Der Alte blättert eifrig in alten Bildbänden über Rom und seine Katakomben. Gelegentlich zeigt er ein feinsinniges Mienenspiel. Er wippt und vibriert in einer Energiewolke. Die Spannkraft des Erfolgreichen, die den alten Mann verjüngt: Er hat Giocondos Spur entdeckt und damit sogar jenen beflissenen Kommissar übertroffen.
       Zack hinter Sonnenbrillengläsern hängt neugierig an den Scheiben. Ihm zuliebe, sagt Mahgourian, sind wir diesmal nicht geflogen. Ich denke, das ist gelogen. Mahgourian braucht Zeit für eine neue Geschichte, für Vorbereitungen, für den Sphärenwechsel. Und außerdem Laura, sie sitzt da wie die folgsamste Elevin einer Klosterschule, die Beine angezogen und rechtwinklig über den Polstern, die Hände im Schoß gefaltet.Sie schaut nicht nach links oder rechts, fixiert einen Punkt unterhalb der Hutablage. Ihre Augen weit, leicht apathisch, mit Arztmitteln sediert.
       Der hagere Mann mit dem Strichmännchengang hätte uns gern begleitet, aber sein Dienstplan ließ das nicht zu. Er wird ein anderes Mal nach Rom fahren. Mahgourian hat ihn dazu eingeladen.
       »Man muß sorgfältig sein, denn dies ist eine Spurensuche.
       Der junge Mann im Archiv hat es uns vorgemacht. Er hat es sogar Blüthgen vorgemacht, und darauf ist er besonders stolz. Die Aufklärung eines Falls nach fast einem Jahrhundert, ohne größere Hilfsmittel als einem wachen Verstand, geleistet von einem unscheinbaren Multiallergiker, der noch bei seiner Mutter wohnt. All die Fotos von den Gepäckstücken – und genau da haben wir etwas übersehen. Blüthgen, der die Koffer und Taschen sogar in den Händen halten konnte, war vielleicht zu verblendet von abwegigen Theorien oder zu betäubt von köstlichem Arrak. Dabei hätte er nur in der Asservatenerfassung nachfragen müssen, denn auch der war es aufgefallen, und sie hat es brav auf jedem Begleitblatt vermerkt: eine kleine Prägung im Leder, ein Wappen, das die Buchstaben B&B trägt.
       Was könnte sich dahinter verbergen? Ein Synonym für die wahre Herkunft oder den Namen Giocondos? Wenigstens hätte Blüthgen an

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