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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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verhindern wollen, wirkt sowenig geschäftsfördernd wie die schmale Glasfront des Ladens selbst. Staubige Scheiben von zersplittertem Holz umrahmt, die Auslage foppt das Auge mit altmodisch wirkenden Handtaschen und anderen Lederutensilien, deren Zweck nur zu raten ist, ebenso wie ihr Preis, denn die wellige Sonnenschutzfolie, die man zur Ehre der darbenden Waren angebracht hat, taucht alles in ein jodfarbenes, ungesund über den verschwommenen Kostbarkeiten brütendes Licht.
       Unwillkürlich stellt man sich vor, daß hier nur sehr alte Damen einkaufen, die alleine in großen und einsamen Wohnungen leben, deren frühere Vornehmheit längst verblaßt ist. Gebrechliche Signoras, verwachsen mit dem unermüdlichen Glauben an Traditionen, die nur abseits der üblichen Ladengeschäfte und ihrer bedenkenlosen Geschäftstüchtigkeit gedeihen können. Selbst der touristisch bunteste Süden kennt diese Traditionen, die das Umschwärmen der Jugend und der flüchtigen Eleganz verachten. Wieso, fragt diese Auslage, die eher zu konservieren als zu präsentieren scheint, muß ich in einer Stadt, deren Würde in der Gegenwart einer vieltausendjährigen Geschichte ruht, mit der Jugend schreien und bedruckte Kunstfasern anbeten oder mit denjenigen wetteifern, die zusammengepfuschte Massenware, bestenfalls zweitklassiges Handwerk, durch einen Markennamen zu einem mondänen Fetisch aufmogeln wollen?
       Zacks Fingerspitzen berühren leicht das Glas, auf dem in verschossenen Goldlettern der Firmenname steht. Irgend etwas an dieser Straßenecke, an diesem Haus und an diesem Ladengeschäft ist völlig anders als das, was wir in dieser Stadt bislang gesehen haben. Trotzdem besteht kein Zweifel daran, daß genau sie im Hintergrund der vierten Karte des Baumeisters deutlich zu erkennen ist, kaum verdeckt von einem Brunnen und einem windschiefen Zeitungskiosk.
       Die Auslage schweigt nun lauernd, wir wagen trotzdem nicht zu reden, keiner von uns hat erwartet, daß diese Firma nicht anders wirken würde, als habe sie seit der Zeit Giocondos einfach in einem Dornröschenschlaf gelegen.
       In dem kleinen Verkaufsraum, den wir vom dürren Stimmchen einer Türglocke angekündigt betreten, herrscht suppiges Terrariumlicht. Taschen, winzige Koffer und Necessaires, Aktenmappen und Etuis halten gelangweilt Hof in beleuchteten Glasschränken und Vitrinen aus bombiertem Glas. Der Kunde, signalisieren sie, ist keineswegs die Hauptsache. Man möchte, dermaßen ermahnt, andachtsvoll die Hände verschränken, die Stimme dämpfen, zeremoniell zurückhaltend. Aber Mahgourian räuspert sich entschlossen, ein Termin, der zweimal verschoben worden ist, verpflichtet in seinen Augen zu pünktlicher Aufmerksamkeit. Sein grimmiges Gesicht, Laura, die seit gestern mit einer Tatkraft, die alle Fluchten in die Sachlichkeit ausschließen will, meine Hand hält, und Zack, die Sonnenbrille im Gesicht, der mit finsterem Spott das schale Aroma von Lederappretur in seine Nase zieht: was für ein unterhaltsames Bild! – Warum sollte also der mysteriöse Herr Bianchi, dessen Augen, davon bin ich überzeugt, irgendwo zwischen diesen Exponaten, hinter den dunklen Paneelen, seinen seltsamen Besuch in Augenschein nehmen, es allzu eilig haben, uns zu begrüßen? Vielleicht fürchtet er sich auch.
       Aber schrecklicher noch als das Lachen, rasselnd und heiser, das wir im nächsten Augenblick hören und das von einem Zuschauer kommen muß, der wenigstens so alt ist wie die ehrwürdige Firma selbst, ist das krächzende Husten, das sich uns darauf nähert, wie eine Krankheit oder ein Fluch, der hinter den Häuten von Ziegen, Echsen und Kälbern gelauert hat, sich auf menschliche Wesen zu legen. Eine mächtige Wolke Tabaksqualm schwebt plötzlich durch den Raum und verdrängt, was von der Atmosphäre einer Lederwarenhandlung noch vorhanden gewesen ist. Die Glut, wie ein magisches Auge, taucht in der Dunkelheit des Flures hinter dem Kassentresen auf und bewegt sich, langsam eine vertikale Auf-und-ab-Bewegung beschreibend, auf uns zu. Mahgourian zuckt zusammen, noch bevor ich selbst erschrecke, als das mumienhafte Gesicht mit den stechenden Habichtsaugen, den eingefallenen Wangen und der Sichelnase plötzlich sichtbar wird. Eine unheimliche Gestalt tritt näher. Die Figur des Mannes mit den glänzenden schwarzen Haaren – er trägt einen dunklen Anzug mit Krawatte und ein weißes Hemd –, sie ist schmal, wie die eines ungesund aufgeschossenen Kindes oder einer verdorrten

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