Trolljagd
erwischten, und er musste sie zum Schweigen bringen.
»Meine Güte, was ist denn hier passiert?« Lisa trat durch die Reste des Zauberspiegels, der einmal der Eingang zu Dutchs Büro gewesen war. Ihre Schwester Lane folgte ihr wie ein Schatten. Beide hatten eine Wolfsspinne auf der Schulter sitzen. Die eine war eher gräulich, die andere fast durchsichtig. Die Spinnen waren ebenfalls Schutzgeister, Verbindungskanäle zwischen den Hexen und ihrer Magie.
Dutch entfernte eine größere Glasscherbe von seinem Schreibtisch und richtete sie auf Lisa. »Falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Ich habe einen schlimmen Vormittag hinter mir und brauche jemanden, an dem ich meinen Frust ablassen kann.«
»Vergib meiner einfältigen Schwester, mein König.« Lane verbeugte sich halbherzig.
Dutch winkte ab. »Du darfst dich später einschmeicheln. Jetzt brauche ich erst einmal Fakten. Was habt ihr herausgefunden?«
»Da unten sieht es aus wie am Ground Zero«, antwortete Lisa mit einem Hauch von Bedauern in der Stimme. »Vom Allerheiligsten ist nur noch ein Haufen Schutt übriggeblieben, und überall vibriert wilde Magie. Angelique hat ihre besten Leute hingeschickt, um Schadensbegrenzung zu betreiben, aber selbst die hatten es schwer, dafür zu sorgen, dass nichts nach außen drang. Jeder, der eine Nase im Gesicht hat, konnte riechen, dass die Fetzen verfaulenden Fleisches, die überall verstreut herumlagen, von den Nachtwandlern stammten.«
»Und die Gerüchte über die Trolle, die an die Oberfläche gekommen sind?«, erkundigte er sich, obwohl er nicht wusste, ob er die Antwort wirklich hören wollte.
Lisa sah ihre Schwester Lane an, die prompt das Wort ergriff. »Sie dürften zutreffen, weil von den Leichen der Menschen und der Dämonen, die wir gefunden haben, kaum noch etwas übrig war. Den meisten fehlte das Herz. Wenn diese Kreaturen beschlossen haben, ihre Höhlen zu verlassen und hier oben ein Tänzchen aufzuführen, kann man wohl mit Recht behaupten, dass wir ein ernsthaftes Problem haben.«
Dutch stützte den Kopf in die Hände und stieß einen Fluch aus. Schon als er damals die Gestade von New York erreicht hatte, waren die Tunnel unter der Stadt von Trollen bewohnt gewesen. Meistens blieben sie in der Nähe ihrer Eisernen Berge unter dem Zoo, aber manchmal hatten sie auch den Unglücksseligen nachgestellt, die in New Yorks ausgedehntem Tunnelsystem Zuflucht gesucht hatten. Sie hatten sich wenig um das gekümmert, was an der Oberfläche vor sich ging, was für alle das Beste gewesen war. Die Lage musste schlimmer sein als vermutet, wenn sie sich jetzt in voller Kampfstärke an die Oberfläche wagten und das älteste Gebäude der Stadt einebneten. Dutch wusste aus eigener Erfahrung, wie brutal die Trolle vorgingen, wenn sie ein Königreich zerstörten, und falls Orden in der Stadt wütete, war das Jüngste Gericht nicht mehr fern.
»Und Asha?«, fragte Dutch.
Lane zuckte mit den Schultern. »Sie war ebenfalls ganz bestimmt da, weil ihre Magie dort überall Spuren hinterlassen hat, aber von ihr selbst war nichts zu sehen. Glaubst du, die Trolle haben sie erwischt?«
»Ich fürchte, es ist noch viel schlimmer«, sagte Dutch und fasste einen teuflischen Plan. »Was ich jetzt mit euch bespreche, darf diesen Raum niemals verlassen, ist das klar?«
»Selbstverständlich, mein König«, antworteten sie gleichzeitig.
Dutch legte eine dramatische Pause ein. »Ich habe Grund zu der Annahme, dass unsere Schwester den Kreis zerbrochen hat.«
»Was?«, fragte Lisa schockiert.
»Das ist unmöglich! Niemand ist dem Zirkel so ergeben wie Asha«, bekräftigte Lane.
»Dasselbe dachte ich auch, als mir die Beweise vorgelegt wurden, aber in Anbetracht der Geschehnisse der letzten Nacht kann ich meine Augen nicht länger vor der offenkundigen Wahrheit verschließen«, erwiderte Dutch mit schmerzerfüllter Stimme. »Letzte Nacht wurde dem Orden etwas sehr Mächtiges in die Hände gespielt, und er entschied, es vor den Zauberern zu schützen, deren Plan war, es zu benutzen, um damit die Welt zu erobern. Ashas geheime Mission bestand darin, den Gegenstand in unseren Besitz zu bringen.«
Lisas Augen wurden feucht, aber es quoll keine Träne heraus. »Aber doch nicht Asha. Sie ist eine von uns.«
Dutch trat hinter dem Schreibtisch hervor und stellte sich zwischen die Schwestern. Er legte seine Hand beruhigend auf Lisas Wange, wandte sich aber an Lane: »Sie ist eine von uns, richtig. Aber sie ist nicht von unserem Blut.«
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