Trolljagd
habe ich noch nie gesehen. Hier sind so viele Spezies und Kulturen, dass mein ganzes Leben nicht reichen würde, um sie alle zu studieren.«
»Ein Leben, um sie zu studieren, aber es dauert nur Sekunden, dich umzubringen, wenn herauskommt, was du bei dir trägst. Mach keinen Fehler, Menschding. Du stinkst nach schwarzer Magie. Wenn du nicht aufpasst, hast du nicht nur die Trolle am Hals. Trolle essen Fleisch, aber andere Wesen in Midland bevorzugen Seelen«, warnte ihn Gilchrest. »Weiter jetzt, genug studiert. Das Essen ist nah.«
Als sie sich dem Ende des Marktplatzes näherten, witterte De Mona Gerüche von Tieren und garendem Essen, was ihr Magen mit aufgeregtem Knurren kommentierte. Gilchrest führte sie in eine Gasse zwischen einer Töpferei und einer Taverne. Dann bedeutete er ihnen, hinter einem Stapel Fässer in Deckung zu gehen, und beobachtete die Rückseite der Taverne. In einem kleinen Verschlag befanden sich ein paar Tiere, die wie eine Kreuzung aus Ziegen und Schweinen aussahen und an den kargen Pflanzen zupften, die aus dem Boden sprossen. Ein grobschlächtiger Mann mit blutverschmierter Schürze schleppte den geräucherten Körper irgendeines Tieres heraus und spießte es an einen Haken zwischen andere geräucherte Tierkadaver in allen möglichen Größen. Weder Gabriel noch De Mona hatten auch nur die leiseste Ahnung, was für Fleisch das war, aber bei dem Geruch lief ihnen das Wasser im Mund zusammen.
»Da.« Gilchrest zeigte auf die Tierhälften, die nur Stümpfe aufwiesen, wo einmal Gliedmaßen gewesen waren.
Gabriel runzelte missbilligend die Stirn. »Ich weiß noch nicht mal, was das ist, da kannst du wohl kaum erwarten, dass ich das esse.«
»Wenn du nicht verhungern willst, solltest du aufhören herumzumäkeln, das rate ich dir«, zischte Gilchrest.
De Mona betrachtete das geräucherte Fleisch und leckte sich die Lippen. »Mann, ich habe so einen Hunger … mir wäre es völlig egal, ob ich etwas esse, das sechs Beine und zwei Köpfe hat.«
»Bist gar nicht so dumm, wie du aussiehst, Dämon«, sagte Gilchrest kichernd. »Wir müssen warten, bis er wieder reingeht, dann greift sich das Menschding das Fleisch.«
»Ich?« Gabriel zog die Augenbrauen hoch. »Warum soll ich das machen? Du bist doch der Dieb.«
Gilchrest warf Gabriel einen genervten Blick zu. »Troll und Dämon stinken nach Raubtier, erschrecken die Tiere und alarmieren den Ladenbesitzer. Menschdinge stinken einfach nur, machen keinem Angst.«
Gabriel warf einen Blick zu De Mona, die mit den Schultern zuckte. Widerstrebend übernahm er die Aufgabe. »Wisst ihr, eigentlich soll ich ja den Helden spielen, aber irgendwie fühle ich mich bei diesem kleinen Abenteuer eher wie eine Witzfigur«, versuchte er mit einem kleinen Scherz seine Angst zu kaschieren, bevor er sich auf den Weg machte.
Gabriel duckte sich so tief er konnte, damit ihn keiner der Gäste in der Taverne entdeckte. Er spähte kurz durch eines der offenen Fenster. Drinnen aßen, tranken und spielten gefährlich aussehende Kreaturen und verlustierten sich mit Wesen, die wohl Weibchen waren. Gabriel bezwang seine Neugier, überquerte den Hof und schaffte es bis zu dem Räucherschuppen. Als er das Fleisch aus der Nähe betrachtete, musste er sich eingestehen, dass es wirklich appetitlich aussah. Selbst wenn er nicht wusste, was es war, konnte es kaum schlimmer sein als das, was er in New York beim Chinesen gegessen hatte. Er entschied sich für ein Tier, das etwas größer war als ein Huhn, aber es klemmte fest auf dem Haken, als er versuchte, es herunterzuziehen. Er sah sich nach De Mona und Gilchrest um, die ihm mit Handzeichen bedeuteten, sich gefälligst zu beeilen. Gabriel zog noch einmal, aber er wandte mehr Kraft auf, als er beabsichtigt hatte. Dadurch riss er das ganze Gestell herunter, das mit einem Lärm zusammenbrach, den man bis in die Eisernen Berge hören konnte und der die lebenden Tiere in ihren Käfigen zu Tode erschreckte.
»Schluss mit dem Lärm, ihr werdet alle noch früh genug auf meinem Hackklotz enden«, drohte der Finsterling mit der Schürze, als er in der Tür der Taverne auftauchte. Als sein Blick auf Gabriel fiel, der zwischen dem ganzen Fleisch lag, verlängerten sich seine verwachsenen Lippen zu einem höhnischen Grinsen. »Was ist das denn? Schon wieder einer von euch stinkenden Flussbanditen, der mich bestehlen will?«
Gabriel betrachtete das zerstörte Gestell und das Fleisch auf dem Boden und hob beschwichtigend die Hände.
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