Tropfen im Ozean
ist fertig. Ich komm vorbei. Wie will’s das Studio?“ Angestrengt horchte er ins Telefon, als hätte er Schwierigkeiten dem Gesprochenen zu folgen und kratzte sich unsicher am Kinn.
„Also... wie jetzt... Server oder externe Festplatte... wie heißt das? USB3-Stick, okay... ja, ist klar“.
An J war der Übergang von Magnetbandaufzeichnungen auf digitale Medien vollkommen vorbeigerauscht. Dass er noch einen anderen Grund für die Wahl der Festplatte haben könnte, konnte ich an dieser Stelle nicht wissen.
„Ja, nur zu, Alter“, blaffte er ins Telefon. „... schau’s dir an. Habs auf DVD. Ist super. Fuck, sag ich doch! Was? Nein. Heut Nacht“.
Grußlos beendete er das Gespräch, legte das Handy auf den Tisch und sah uns an:
„Wo ist die andere Version“, schnarrte er. Rob zuckte zusammen.
„Ähm... hier... auf dem Rechner... wir haben ja Teile davon verwenden mü...“
„Löschen. Sofort“.
Mir wurde schwarz vor Augen. Elisha stieß einen entsetzten Laut aus und J presste die Lippen zusammen.
„Na, wird’s bald“, sagte er. „Worauf wartest du?“.
Rob sah zu mir. Dann auf die Tastatur. Ich meinte zu spüren, wie sein Verstand raste, nach einer Möglichkeit suchte, das vor den Augen Js zu verhindern. Doch J stand drohend neben ihm. Seine Augen verengten sich.
„Löschen, Rob“, knurrte er leise. Das Studio hielt den Atem an.
Und alle sahen wir zu, wie Rob die Tastatur bediente, den Film aufrief und J sich vergewisserte, dass es auch das war, was gelöscht werden sollte. Sahen zu, wie Rob den Finger hob und auf delete drückte. „Sind Sie sicher, dass Sie das Projekt löschen wollen?“ fragte der Rechner. „Alle Dateien sind dann unwiderruflich verloren“. Robs Finger hing in der Luft.
J zuckte vor, schubste ihn zur Seite und klickte eigenhändig auf „Yes“. Wie in Hypnose starrten wir auf den Balken, der jeden Zentimeter von unserem Film fraß. Tingeling. Das Signal. Der Rechner bestätigte:
„Die Datei wurde vollständig gelöscht“.
Wie durch Watte drang Js Stimme in mein dumpfes Bewusstsein.
„Zieh den Film auf dieses USB3-Ding“, kommandierte er. „Zwei Stück. Eine für mich – eine für den Sender. Ich bleibe hier, bis die letzte Sekunde übertragen ist“.
Stumm starrten Rob und ich ihn an. „Und du“, wandte er sich an mich. „... kannst die DVD beschriften und in ne Hülle stecken“.
Mit Knien aus Gummi ging ich zum Tisch. Auf dem Js Handy und die DVD lagen. Ich nahm einen Filzer und schrieb dick „E!Liza“ auf die Scheibe. Lugte auf sein Handy. Er hatte mit Ryss gesprochen.
J schmiss uns aus dem Studio und überwachte die Übertragung. In dieser Zeit fiel im übrigen Büro kaum ein Wort. Eine gespenstische, bedrückende Stille lag über jedem Zimmer. Ich war unfähig zu denken, weigerte mich zu begreifen, aber schließlich hielt die schreckliche Gewissheit Einzug, dass es vorbei war. Es war vorbei. Der Gedanke besetzte mich, während ich J zusah, wie er zwei selbstklebende Etiketten nahm, sie mit einem „E“ versah und auf die schmalen Festplatten drückte. Dann ging er.
Unsere Hoffnungen waren gestorben. Unser Film war weg - existierte nicht mehr.
Fassungslos starrte ich Rob an, als J endlich gegangen war. Wie auf Kommando hatten sich wieder alle im Schnittstudio zusammengefunden.
„Rob“, flüsterte ich. „Was machen wir jetzt?“
Sein Schweigen lastete wie ein Zementblock auf uns allen. Rob atmete tief ein und aus.
„Tja“, sagte er schließlich und setzte sich auf seinen ausgeleierten Stuhl. „Gute Frage... ihr werdet doch nicht glauben, dass ich nach Js Ausbruch neulich nicht auf Nummer Sicher gegangen bin“, sagte er dann. Wir starrten ihn an. Seine Worte drangen in kaum jemandem von uns ein.
„Halloho? Glaubt ihr, ich bin blöd oder was? Was ist denn mit euch los?“, rief er und öffnete einen Ordner mit dem Namen: „Sabrina1“ auf dem Rechner. Eine gewaltige timeline breitete sich vor unseren übermüdeten Augen aus. Unsere timeline. Unser Film.
Er hatte eine Kopie. Er hatte eine Kopie! Wir schrien auf vor Erleichterung und fielen ihm um den Hals. Rob hatte mitgedacht und unseren Film gesichert. Wir konnten weitermachen.
In vier Tagen würde der Film gesendet werden. J hatte zwei Exemplare - und eine DVD. Niemand von uns hatte die Kraft darüber nachzudenken, was er damit alles anstellen konnte. Ich ging an diesem Abend nach Hause, kroch zu Florian ins Bett. Wie immer schlang Flo seinen Arm um mich und
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