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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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»Willkommen im Club.«
    »Ich meine, es ist so, als würde die ganze Welt umgedreht, ich weiß nicht …«
    »Verkehrt herum?«, fragt Lura.
    »Ja. Aber in mehr als nur vier Dimensionen. Ich kann nicht …« Was will ich sagen? Ich bin mir nicht sicher. »Was ist denn Maschinencode?«, frage ich. »Und warum kann ich keine Bäume denken?«
    Sie trinkt einen Schluck Wein. »Mein ganzes Buch handelt davon, was dieser ›Maschinencode‹ möglicherweise ist. Ich bin mir selber noch nicht sicher. Ich gehe von der Hypothese aus, dass er existiert, aber ich suche immer noch nach der mathematischen Lösung, die ihn vollständig beschreibt … Ich glaube, dass ich vermutlich fünfundsiebzig Prozent habe.« Sie stellt ihr Weinglas ab. »Natürlich wissen Sie, dass Sie in der wirklichen Welt nichts machen können, indem Sie nur daran denken. Sie können keinen Zehn-Pfund-Schein erschaffen, wenn Sie arm sind, und auch kein Sandwich, wenn Sie hungrig sind. Das schafft der Verstand einfach nicht.«
    »Es ist ein Jammer«, sagt Burlem.
    »Aber wir wissen auch – oder wir haben uns momentan darauf verständigt –, dass Gedanken Materie sind. Gedanken sind codiert, sie verschwinden niemals. Die Gedanken aller existieren in einer anderen Dimension, die wir als die Troposphäre erleben.«
    »Ja«, sage ich und lege die Gabel hin.
    »Wir wissen, dass Gedanken Materie sind, weil sie sich in einem geschlossenen System ereignen, in dem alles aus Materie besteht. Genauso wie in dem Computerprogramm in unserem Gedankenexperiment. Darin gibt es nichts, was nicht in Code geschrieben ist, weil, na ja, man kann einfach nichts in einem Rechner haben, das nicht in Code geschrieben ist. Alles, was außerhalb des Systems ist, könnte per definitionem nicht darin existieren. Aber wir wissen auch, dass Gedanken nicht mehr Materie erschaffen …«
    »Das sehe ich ein«, sage ich. »Die Computerwesen könnten beispielsweise nicht einfach die Existenz von mehr RAM erzwingen.«
    »Gut«, sagt Lura. »Aber die vorhandene Materie kann manipuliert werden.«
    Wo habe ich kürzlich die Wendung »Löffel verbiegen« gehört? Das ist es, was mir durch den Kopf geht, aber ich sage nichts. Ich bin mir nicht mal sicher, ob es Löffelverbiegen wirklich gibt, und offenbar gibt es keine Beweise dafür, dass Menschen an einen Goldfisch denken und er deswegen auch erscheint. Zauberer, die seidene Halstücher in Tauben verwandeln, tun das nicht in Wirklichkeit: Es ist nur eine Illusion.
    Lura redet weiter. Sie beschreibt die zwei Ebenen des Codes auf der metaphorischen Maschine: Maschinencode und Softwarecode. Maschinencode sorgt dafür, dass die Maschine funktioniert, und sagt dem Softwarecode, was er zu tun hat. Sie spricht auf eine konzentrierte und nachdrückliche Art, als ob sie versuchte, dem Passagier eines Flugzeugs, der sich bei einer Katastrophe am Steuerknüppel wiederfindet, die für eine Notlandung notwendigen Informationen zukommen zu lassen. Eine Sekunde lang habe ich den Eindruck, dass sie glaubt, bald sterben zu müssen. Dann ist der Gedanke verschwunden.
    »Was ist denn in unserer Welt in Maschinencode geschrieben?«, fragt Lura mich.
    »Die Gesetze der Physik?«, erwidere ich, wobei ich mich frage, ob ich die Passagierin bin, die das Flugzeug heil runterbringen soll, und ob ich damit abstürzen werde oder nicht.
    »Ja. Ausgezeichnet. Und weiter?«
    »Und …?« Ich denke ein paar Minuten nach. Währenddessen isst Burlem auf. Er räumt die Teller ab und stellt sie in die Spülmaschine.
    »Was ist mit Philosophie?«, hilft Lura mir auf die Sprünge. »Metaphysik?«
    Ich nicke langsam. »Okay. Also … Was wollen Sie sagen? Dass manche Leute in diesem Maschinencode denken?«
    »Möglicherweise«, sagt sie. »Wer würde Ihrer Ansicht nach in Maschinencode denken?«
    »Sie meinen, im Gegensatz zu dem Code der eher ›normalen Welt‹?«
    »Ja.«
    »Dann wäre der Code der normalen Welt im Prinzip Sprache, und Maschinencode wären die Gedanken von … ähm … Naturwissenschaftlern? Philosophen?«
    »Ja. Jetzt denken Sie an eine historische Figur. Jemanden, der dazu in der Lage wäre.«
    Ich nippe an meinem Wein. »Einstein?«
    »Richtig. Aber jetzt habe ich die schwerste von allen Fragen. Als Einstein seine Relativitätstheorien entwickelte, beschrieb er da nur die Welt, wie sie bereits war, oder …?«
    Sie zieht die Augenbrauen hoch und lässt den Satz in der Luft hängen, damit ich ihn beende.
    »Oder brachte er sie dazu, auf diese Weise zu

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