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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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aussehen lassen, als wäre das Bild nie da gewesen: dass es die ganze Zeit schon unbeschriebener Speicherplatz gewesen wäre oder das Dokument eines Baumes. Aber man könnte eine Spur hinterlassen, Fossilien beispielsweise sind solche Spuren. Quarks und Elektronen, die in der Zeit erstarrt sind und sich weigern, zerlegt und zu etwas anderem gemacht zu werden.
    Wie entsteht also Materie?
     
    Später, als wir gerade Pilze auf Toast zu Abend essen, beginnt die Diskussion erneut.
    »Ich habe Ariel von meinem Buch erzählt«, sagt Lura zu Burlem. »Oder zumindest von dem Gedankenexperiment mit dem Computer.«
    »Das ist der einzige Teil, den ich wirklich verstehe«, sagt er. Dann wendet er sich an mich: »Der Rest ist hauptsächlich Mathematik.«
    »Ich habe Ihre Frage noch nicht beantwortet«, sage ich zu Lura. »›Wie entsteht Materie?‹«
    Burlem lacht. »Das ist ein hübsches Rätsel, um sich an einem verregneten Nachmittag die Zeit zu vertreiben.«
    Der Himmel ist im Lauf des Tages immer dunkler geworden, und um fünfzehn Uhr war ich mir nicht sicher, was draußen geschah, ob es Nacht geworden war oder der Sturm uns erreicht hatte. Gegen siebzehn Uhr machte ich Kaffee und sah, wie Burlem versuchte, Planck vor die Tür zu locken. Aber der Hund wollte nur rückwärts wieder ins Haus gehen. Es war die schnellste Art, aus dem Regen rauszukommen, aber es sah etwas komisch aus.
    »Das habe ich auch nicht von Ihnen erwartet«, sagt Lura mit einem freundlichen Lächeln.
    »Aber ich kapiere, dass Quarks und Elektronen genau wie Nullen und Einsen sind«, sage ich. »Und es scheint mir jetzt offensichtlich, dass Gedanken Materie sind …« Nur dass ich damit ein kleines Problem habe. Wenn Gedanken Materie sind, dann ist alles wirklich. Aber ich dachte, dass nichts wirklich sei. Derridas différance, Baudrillards Simulakrum. Wenn Gedanken Materie sind, dann wird alles wirklich. Aber wenn man die Gleichung umdreht – wenn Materie tatsächlich Gedanken ist –, dann ist nichts wirklich. Können beide Ideen zur gleichen Zeit wahr sein? Kann diese Gleichung in derselben Weise funktionieren wie »Energie entspricht Masse«?
    »Obwohl Gedanken nicht mehr Materie verursachen«, sagt Lura, »können weder Gedanken noch Materie aus dem Nichts kommen.«
    »Nein, das verstehe ich, glaube ich. Aber Gedanken … formen irgendwie …«
    »Codieren«, sagt Lura. »Gedanken codieren Materie.«
    »Was bedeutet das?« Ich trinke einen Schluck Rotwein, meine Hand zittert.
    »Wenn Sie denken, ändern Sie potenziell Dinge.«
    Ich denke darüber nach, über alles, was sie gesagt hat. Ich stelle mir die kleinen binären Menschen in ihrer Welt vor, in der alles Zeug, das sie um sich herum sehen, und all ihre Gedanken aus derselben Sache bestehen. Vermutlich könnte man in dieser Welt Dinge erschaffen, indem man sie nur denkt. Es gäbe keinen Unterschied zwischen einem Gedanken an Regen und dem Regen selbst. Aber das gilt sicherlich nicht für diese Welt hier.
    »Wollen Sie damit sagen, dass ich einen Baum machen kann, indem ich ihn denke?«, frage ich Lura ohne Überzeugung.
    »Nicht in dieser Welt«, antwortet sie.
    »Aber in der Computerwelt? In dem Gedankenexperiment?«
    »Gewissermaßen«, sagt sie. Sie schaut Burlem an. »Sie hat ein großes Talent zur Vereinfachung.«
    »Nicht unbedingt eine Fähigkeit, um in der Literaturwissenschaft zu reüssieren«, entgegnet er. »Aber du hast recht.«
    »Warum ›gewissermaßen‹?«, frage ich Lura. »Warum kann ich nur gewissermaßen einen Baum machen, indem ich ihn denke, wenn ich eines dieser Wesen bin?«
    »Weil es davon abhängt, in welcher Sorte Code Sie denken«, sagt sie. »Ob Sie in Maschinencode denken können oder nur innerhalb des Softwareprogramms.«
    »Damit habe ich Schwierigkeiten«, sage ich stirnrunzelnd.
    Ich kann kaum schmecken, was ich esse. Ich bin mir zu sehr dessen bewusst, dass wir hier über die Wirklichkeit reden: Dies ist der Raum, in dem ich bin, und der Stuhl, auf dem ich sitze, und mein Bewusstsein und meine Träume und alles, was meine Existenz ausmacht. Ich habe das bizarre Gefühl, dass die Dinge ringsum sich auflösen werden, wenn ich eine dieser Fragen falsch verstehe, dass die Existenz von allem davon abhängt.
    Und dann denke ich: Sei nicht blöd, es ist nur eine Theorie.
    Aber ich habe den Beweis dafür gesehen. Ich bin in der Troposphäre gewesen.
    Aber die Troposphäre könnte doch alles bedeuten, oder etwa nicht?
    »Schwierigkeiten?«, sagt Burlem lachend.

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