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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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davor, irgendwas zu denken, nachdem ich jetzt weiß, was meine Gedanken potenziell sind.
    Ich wollte Wissen, und ich habe es bekommen. Aber wollte ich je diese Art Wissen? Wollte ich je wissen, dass es keinen Gott gibt: dass wir Gott SIND? Dass es nicht notwendig einen Schöpfer oder einen Grund gibt? Wir machen einen Grund und träumen nur von Schöpfern: Das ist alles, was wir tun können. Aber das wusste ich schon die ganze Zeit, stimmt's? Vielleicht. Aber wie furchtbar ist das: wie furchtbar, recht zu behalten. Dass jemand dir demonstriert, dass es, nun ja, dort oben keinen Daddy gibt, der große Stücke auf dich hält, weil du das Rätsel richtig gelöst hast. Kein höheres Wesen wird Beifall klatschen und dir einen Sonderplatz im Himmel zuweisen, weil du ein bisschen Heidegger verstanden hast. Gott mag dort oben in der Troposphäre sein, aber die Troposphäre ist einfach eine Ausgeburt unserer Gedanken. Und abgesehen davon gibt es wirklich nichts. Unsere Gedanken wirbeln Quarks auf und schmieren Elektronen zu etwas zusammen, was sie nach unserer Vorstellung sein sollen.
    Newtons Ursache und Wirkung legten nahe, dass jemand die ursprüngliche Uhr aufgezogen hat und zum Ticken brachte und dass jede einzelne Aktion im Universum vorhergesagt werden könnte – falls man eine Maschine hätte, mit deren Hilfe man die Vorhersage machen konnte. In der Welt gibt es keinen freien Willen: eine Welt, in der potenziell alles gewusst werden kann. In der Welt stehe ich morgens auf und tue das, wozu ich programmiert wurde: als ob alle meine Aktionen nur Dominosteine eines Computerspiels wären, die von anderen Computerspiel-Dominos zu Fall gebracht würden. Das passiert, wenn man Gott mit Naturwissenschaft kombiniert. Es ist eine Erzählung, schlicht und einfach. Es gibt einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Und die Mitte ist nur da, weil der Anfang da ist; das Ende ist nur da, weil die Mitte da ist. Und am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
    Wenn man die Ursache-und-Wirkung-Erzählung wegnimmt, hat man die Quantenwelt, die bei all den Möglichkeiten multipler Universen und unendlicher Wahrscheinlichkeit auf ihre eigene Weise verstörend genug ist. Aber wenn man sie nicht zu ernst nimmt und die Evolution und die Wirtschaft und alles andere berücksichtigt, was in unserer Welt als selbstverständlich hingenommen wird, dann hat man zumindest die Illusion des freien Willens. Man kann beschließen, reich zu werden. Man kann Präsident werden, wenn man mal groß ist. Nicht sehr wahrscheinlich, aber möglich.
    Doch in dieser neuen Welt poststrukturalistischer Physik habe ich derart viel freien Willen, dass nichts mehr etwas bedeutet.
    Aber das hast du doch vorher auch geglaubt, Ariel. Du hast Heidegger und Derrida gelesen. Du hast einen besonderen Reiz in alldem gefunden, keine absoluten Gewissheiten. Das hast du geglaubt. Alles hängt von allem anderen ab.
    Aber ich wollte nicht, dass es wahr ist. Oder ich wollte, dass es nur für das geschlossene System der Sprache wahr ist, in dem ohnehin niemals etwas absolut wahr ist. Ich wollte Unbestimmtheit. Aber ich wollte nicht, dass die Welt nur aus Sprache besteht und aus nichts sonst.
    Vielleicht ist das der Grund, weshalb Burlem auf die Leere zusteuert.
    Dahin würde ich auch gehen, wenn ich nicht wieder in die Troposphäre gehen müsste, und das mit der echten Möglichkeit, dass ich nie mehr zurückkomme. Aber ich nehme an, dass an Burlems und Luras Argumentation nichts auszusetzen ist. Falls ich in die Vergangenheit zurückgehe, um Abbie Lathrops Bewusstsein für Apollo Smintheus zu ändern, warum sollte ich dann nicht einfach weitergehen und Lumas' Bewusstsein für die Menschheit ändern? Und natürlich ist es sinnvoll, was sie gesagt haben. Es dürfte die Troposphäre nicht geben. Wenn genug Leute von der Troposphäre wüssten, hätten wir den Schlimmstfall: keinen Gott – und auch keinen freien Willen. Menschen wären einfach in der Lage, die Gedanken anderer Menschen zu kontrollieren. Diejenigen, die an der Macht sind, könnten einfach den Rest von uns so manipulieren, dass wir denken, was sie uns denken lassen wollen. Alle »bösen« oder »revolutionären« Gedanken könnten gelöscht werden.
    Ja, genauso wie ich die Gedanken von Abbie Lathrop und Thomas E. Lumas auslöschen werde.
     
    Ich lege mich ins Bett, aber ich kann nicht schlafen. Und als ich doch einnicke, sehe ich mich im Traum nur wieder mit Apollo Smintheus konfrontiert. Zum

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