Troposphere
ein Klopfen an der Tür aus einem schrecklichen Traum, in dem Männer mich jagen, herausreißt, und dann würde ein Polizist mir mitteilen, dass Adam gerade im Schlaf verstorben sei. Ein tragisches Geheimnis. Aber sei nicht blöd. Kein Polizist würde kommen und mir irgendwas mitteilen. Man würde es seinen Verwandten mitteilen, und ich würde nicht mal zum Begräbnis eingeladen, weil niemand wissen würde, dass wir ein Liebespaar waren. Vielleicht würde ich im Newsletter der Universität davon lesen, oder in einer dieser E-Mails mit dem Betreff »Traurige Nachrichten«.
Ich setze mich auf.
»Wohin willst du?«, fragt Adam schläfrig.
»Ich muss nach … na ja, im Grunde muss ich ins Jahr 1900«, sage ich.
»Und ich komme mit.«
»Bist du dir sicher, dass du das willst?«
Adam setzt sich auf und schüttelt den Kopf. »Wir haben gerade zusammen das Erstaunlichste gemacht, was ich je erlebt habe«, sagt er. »Und ich werde dich nicht verlassen. Nie mehr.« Er macht eine Pause. »Erst, wenn du zurückmusst.«
Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Erst, wenn ich zurückmuss. Ich habe nichts zu Mittag gegessen. Wer weiß, wie viel Zeit ich noch habe. Man kann das U-Bahn-Netz nur benutzen, wenn man am Leben ist. Aber spielt es überhaupt eine Rolle, ob ich am Leben bin oder tot? Ich weiß es wirklich nicht mehr.
»Was meinst du also? Sollen wir erst nach Amerika gehen und dann die Zeitreise antreten?«, fragt Adam. »Oder umgekehrt?« »Hmm?«
Wir spazieren Hand in Hand in die Stadt zurück, während der Mond mit uns den Fluss hinunter um die Wette läuft und gewinnt. Wie ich mich jetzt mit ihm fühle, ist schwer zu beschreiben. Es kommt mir vor, als wären wir bereits zusammen alt geworden. Ich weiß schon, dass wir zusammen sterben werden.
Aber er ist schon tot.
»Pedesis«, sagt er. »Wie sollen wir das machen?«
»Ich denke, wir werden zurück und vorwärts um die Welt gehen müssen, um die Zeit zu überbrücken«, sage ich. »Massachusetts können wir uns später vornehmen. Vielleicht sollten wir uns tatsächlich irgendeinen von Abbie Lathrops Nachkommen aussuchen und dann von dort vorsichtig zurückspringen. Ich bin mir im Grunde nicht sicher, was passieren würde, wenn wir sie verfehlen. Wenn wir zum Beispiel zehn Jahre zu weit zurückspringen oder so. Man kann hier nicht wirklich in der Zeit vorwärtsgehen – na ja, schon, aber das müsste in Echtzeit sein. Wir säßen zehn Jahre in Massachusetts fest.«
Adam seufzt. »Ich glaube, du weißt mehr als ich darüber, wie man das macht.«
»Ich bin mir nicht sicher. Ich meine, ich habe es geschafft, Saul Burlem zu finden, aber nur, weil ich von seiner Tochter erfahren und sie in der physischen Welt aufgespürt habe. Ich weiß wirklich nicht, wie man an dieses Problem herangeht. Es sind mehr als hundert Jahre. Das ist ein ungeheurer Zeitraum.«
Wir gehen durch ein Tor, und dann schwenkt der Fluss nach links ab, während wir nach rechts gehen, an ein paar alten Schuppen für Bootsbauer vorbei auf die Stadt zu.
Ich runzele die Stirn. »Du solltest eigentlich genauso viel wie ich darüber wissen«, sage ich.
»Wieso?«
»Du bist in meinem Bewusstsein gewesen. Du musst alles wissen.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich alles weiß«, sagt er. »Dein Bewusstsein ist sehr kompliziert. Alles, was ich über dich weiß … Das ist real und irreal zugleich. Nein … Das ist keine sehr gute Beschreibung. In gewisser Weise ist es ein gespenstisches Gefühl. Als ob ich dächte, ich wäre da – ich dachte, ich wäre du –, aber auf einmal wäre es nur ein Traum. Ich erinnere mich an alles, aber es ergibt noch keinen Sinn. Anders kann ich es nicht beschreiben.«
Ich denke an den Moment, als er auf der Lichtung in mich eindrang, und wie ich da wusste, dass es nichts Körperliches war, was wir taten. Es war so, als wäre ich die Leere und er wäre alles Reale, und das Gefühl, wie er in mich eindrang, war so, als füllte die größte Anwesenheit die kleinste Abwesenheit. Sein Bewusstsein schlief mit meinem Bewusstsein, und in dem Moment, als ich kam, sah ich sein ganzes Leben, als wäre ich er und als würde es im Moment des Todes an mir vorbeiziehen.
Ich spürte die Demütigung durch den Gürtel meines Vaters.
Ich wusste, was es hieß, hungrig zu sein.
Ich ging barfuß über braune, staubige Erde.
Ich hielt Würmer für eine Arbeit in Naturkunde, aber ich hielt sie in Wirklichkeit als meine Haustiere.
Mein Vater zerstörte meine Wurmzucht, als er
Weitere Kostenlose Bücher