Troposphere
betrunken war.
Meine Mutter sagte nie etwas.
(Sie sind beide tot, und ich vermisse sie nicht; ich vermisse, was hätte sein können.)
Diese heißen, nassen Abende, wenn meine Cousins bei uns übernachteten.
Die Gespenstergeschichten, die mir Angst einjagten.
Die kleine Glocke, mit der ich in der Messe klingelte, als ich Messdiener war.
Die kalte hallende Kirche und die Art, wie sie mich tröstete, weil die Gewalt in der Bibel von einer derartigen Dimension ist, dass die Taten meines Vaters daneben klein erschienen. Ich stellte mein Leben auf den Kopf, sodass alles, was wirklich war, unwirklich wurde, und alles, was in der Kirche gesagt wurde, war die Wahrheit, und alles andere war eine Lüge.
Dass mein Vater nie sagte, er sei stolz auf mich, obwohl ich seinetwegen in die Kirche ging, weil es, soweit ich sehen konnte, das Einzige war, das ihm etwas bedeutete, dem Mann, der Rugby und Kricket nicht mochte, der sagte, Sport sei für Schwule und Kunst für Kinderschänder und die Schule hätte nichts mit dem wirklichen Leben zu tun und Menschen sollten arbeiten und beten und sonst nichts. Sein exzessiver Alkoholkonsum fand in seiner Lebensphilosophie irgendwie nie Berücksichtigung.
Die Nacht, in der ich meinen Cousins vom Heiligen Geist erzählte, um sie zu erschrecken.
Und wie ich ihnen bei anderer Gelegenheit erzählte, dass sie alle in die Hölle kämen.
Als ich aus lauter falschen Gründen beschloss, ins Priesterseminar zu gehen.
Der Morgen, an dem mein Vater mich mit Marty, meinem Cousin, im Bett erwischte.
Der hohle Blick in seinen Augen, wenn er mich danach ansah.
Die Versuche, mich zu einem Heiligen zu machen. Niete. Niete. Niete.
Leben als Erwachsener: Ich will allen ein Vater sein …
Aber ich schaue Frauen an. Ich probiere Masturbation aus, aber ich hasse mich dafür.
Ich probiere Selbstgeißelung aus. Ich werde dadurch nur noch mehr erregt.
Als der Priester aus dem Dorf meine Schwester vergewaltigt, fühle ich mich, als hätte ich es getan.
Mein Vater tritt aus der Kirche aus.
Mein Vater ist jetzt Gott.
Ich werde alles Begehren aus meinem Leben verbannen.
( … )
Ich kenne ihn, aber ich weiß nicht alles von ihm. Ich war nicht lange genug mit seinem Bewusstsein verbunden. Ich weiß nicht, was in den Lücken ist. Es gibt immer noch eine unendliche Menge von Wissen über ihn, das ich nicht habe. Und ich will es jetzt genauso sehr, wie ich atmen will.
Wir sind inzwischen wieder in der Stadt und gehen dorthin, wo das Mauseloch von Apollo Smintheus war. Es ist nicht mehr da, aber die Straße ist noch genau die gleiche. Es ist die Stelle, an der ich von Burlems und Luras Haus aus in die Troposphäre einstieg. Um in die physische Welt zurückzukommen, müsste ich einfach nur weitergehen. Ich könnte zurückgehen und Burlem und Lura erzählen, dass ich schlicht versagt hätte. Dann könnte Adam in der Troposphäre leben, und ich könnte ihn besuchen kommen.
Aber das ist nicht möglich. Das wäre genauso, als hätte ich ihn nur als Erinnerung.
»Warum hasst du mich nicht?«, frage ich, obwohl ich die Antwort schon kenne.
»Was meinst du damit?«
Er hält meine Hand so fest, dass die Finger fast brechen. Es ist mir egal.
»Na ja, du weißt jetzt alles. Mein ganzes Sexleben. Meine ganzen … einfach alles.«
»Aber ich verstehe alles«, sagt er. »Ich kenne dich.«
»Ja. Ich weiß, was du meinst.« Wir bleiben vor einem Pfandleihhaus stehen. Ich weiß nicht genau, warum. Dann sehe ich irgendwo dort drinnen das Café leuchten. Wieder das Problem mit den Dimensionen.
»Sollen wir einen Kaffee trinken, bevor wir aufbrechen?«, fragt Adam.
»Troposphärenkaffee«, sage ich. »Wie könnte ich da widerstehen?«
Wir setzen uns draußen an einen Tisch, und nach ein paar Minuten des Wartens begreifen wir, dass wir nur Kaffee zu denken brauchen, damit er erscheint. Na ja, im Grunde muss man schon ein bisschen mehr tun. Man muss Kaffee denken und glauben, dass er erscheint, und dann tut er's.
»Warum bist du mich suchen gekommen?«, frage ich. »Das letzte Mal, als ich dich sah, habe ich dich richtig verärgert. Das konnte ich sehen. Ich hätte nicht sagen sollen …«
»Das spielt keine Rolle.«
»Vielleicht nicht. Aber warum?«
»Wäre es blöd zu sagen, dass ich glaubte, ich hätte mich in dich verliebt?«
Ich schaue auf den Tisch. »Ähm …«
»Entschuldige. Ich kann nicht so gut mit Worten umgehen. Na ja, ich kann gut mit Worten umgehen, aber nicht mit dieser Art von Worten. Ach,
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