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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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wirklich auf, sie werden durchsichtig.
    »Sie verschwinden«, sage ich.
    »Sie sind auf dem Weg zu Gott«, sagt Adam. »Die Waffen hätten dieselbe Wirkung gehabt. Sie sind bloß, ähm …«
    »Metaphern«, sage ich. »Wie alles andere hier drinnen.«
    »Ja.«
    Die Jungen sind inzwischen fast völlig verschwunden. Nach einer weiteren Minute sind sie weg, und nur die leere weiße Papiertüte liegt noch da.
    »Was genau wird Gott mit ihnen machen?«, frage ich.
    »Er wird sie befreien«, antwortet Adam. »Sie richtig totmachen.«
    »Kann Gott das tun?«
    Adam nickt. »Er hat vielleicht nicht alles erschaffen, aber Er ist ein guter Geschäftsführer.«
    Ich lache. »Das klingt so wie die Sprüche, die man auf den Plakaten lesen kann, die an den Kirchen hängen.«
    »Ja, stimmt«, sagt Adam und lacht ebenfalls.
    Und dann wird es mir bewusst: Wir sind zusammen in der Troposphäre. Adam ist tatsächlich hier. Oder zumindest scheint es eindeutig so zu sein.
    »Adam«, sage ich leise.
    Er kommt näher. Von wegen, man fühlt nichts in der Troposphäre. Das sirupartige Gefühl wird in einem Maß intensiver, dass es fast unangenehm wird, aber nur in dem Sinn, wie ein Orgasmus unangenehm ist. Und alles in mir scheint sich zu verlangsamen. Das fühlt sich nicht so an wie in der physischen Welt: kein rasender Puls, keine schweißfeuchten Hände. Mein Körper fühlt sich an wie eine neblige Landschaft, die mit dem Himmel verschmilzt.
    »Ariel«, sagt er.
    Wir legen die Waffen hin und umarmen uns. Es fühlt sich an, als verginge eine Million Jahre, während wir so dastehen.
    »Ich habe das Buch gefunden«, flüstert er. »Und das Fläschchen mit der Flüssigkeit. Ich bin gekommen, dich zu suchen.«
    »Wie hast du mich gefunden?«, frage ich. »Die Männer vom Project Starlight konnten es nicht. Ich dachte, ich hätte meine Spuren gut verwischt. Ich …«
    »Pssst«, sagt er in meine Haare hinein.
    »Wirklich«, sage ich. »Ich muss es wissen. Hat Gott dir geholfen?«
    »Nein. Gott missbilligt das, was wir tun.«
    »Wer hat dann …?«
    »Der Mäusegott. Apollo Smintheus. Er hat gesagt, er würde mir zeigen, wo du zu finden bist. Aber die Jungen schienen sich uns anschließen zu wollen, und überall, wo wir hingegangen sind, sind sie mit hingekommen. Ich dachte, ich könnte irgendwas unternehmen, bevor du wiederkämst, und habe das Tor aufgemacht. Ich war fast zu spät.«
    »Was meinst du damit?«, frage ich. »Welches Tor?«
    »Sie können nur von selbst in deinen Kopf, wenn du richtig hier drinnen bist. Sonst müssen sie mit Ed und Martin gehen. Das weißt du bereits, aber du hattest es vermutlich vergessen.«
    »Also bist du in meinem Kopf gewesen«, sage ich. Es ist keine Frage. Ich kenne die Antwort.
    »Ja. Aber du hast mich rausgeworfen, als du in die Kirche gingst. Ich bin dann gleich wieder reingesprungen, als du rauskamst. Zwischenzeitlich habe ich einfach in der Troposphäre gewartet.«
    »Wie hast du das Buch gefunden?«, frage ich.
    »Ich habe es geträumt«, sagt er. »Ich habe alles geträumt.«
    »Wie bitte?«, sage ich. »Was meinst du damit?«
    »Genau, wie ich es sage«, sagt er. »Ich habe geträumt, wie du es in den Bücherschrank gestellt hast, und ich habe geträumt, wie du versehentlich das Fläschchen hast fallen lassen und wie es unter das Bett gerollt ist. Und als ich später in deinem Kopf war, habe ich alles noch einmal gesehen, wie bei einem Déjà-vu-Erlebnis.«
    »Oh …«, sage ich. Ich bin mir nicht ganz sicher, was ich als Nächstes sagen soll. »Dann …«
    Ich will Adam nicht loslassen, aber ich tue es doch.
    »Hast du Apollo Smintheus gesehen?«, fragt er mich.
    »Nein.«
    »Ich weiß nicht, was mit ihm passiert ist. Er wollte sich eigentlich um diese KIDS kümmern.«
    »Sein Mauseloch ist gleich dort«, sage ich, und wir gehen darauf zu.
    Und in mir geschehen zwei Dinge. Zum einen fühlt sich mein ganzer Körper wie ein Lächeln an. Ich bin hier drinnen nicht mehr allein. Ich kann tatsächlich mit jemandem reden. Und nicht nur das: Derjenige, mit dem ich reden kann, ist Adam, der Mensch, den ich nie wiederzusehen glaubte, der Mensch, den ich zu lieben glaube. Aber das Lächeln verzieht sich immer mehr zu einem Fragezeichen. Ich kann es nicht ertragen, zu fragen oder auch nur darüber nachzudenken. Wie lange ist er schon hier drinnen?
     

Kapitel sechsundzwanzig
     
    Apollo Smintheus ist an einen Stuhl gefesselt, und er sieht stinksauer aus.
    »Oh, vielen Dank«, sagt er, als wir ihn

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