Troposphere
bisschen muffig und so. Taschenbücher, glaube ich …« Sie schaut in den Karton und zieht zwei von den Derrida-Büchern raus. Ich nicke ihr zu. »Ja, eine bunte Mischung. Ach, wirklich? Cool. Ja. Fünfzig Mäuse? Im Ernst? Das ist viel Holz. Okay, ich frage sie. Ja. Tut mir leid. Okay. Bis bald.«
Sie legt auf und lächelt mich an. »Nun ja«, sagt sie. »Es gibt eine gute und zwei schlechte Nachrichten. Die gute ist, dass Sie den ganzen Karton haben können, wenn Sie wollen, aber die schlechte ist, dass ich keine einzelnen Bücher aus dem Karton verkaufen darf, also alles oder nichts. Sam meint, sie hat den Karton selbst auf einer Auktion gekauft, und die Inhaberin hat ihn noch nicht gesehen. Aber offenbar hat sie schon gesagt, dass sie keinen Platz hat, noch mehr Zeug in den Regalen unterzubringen … Und die andere schlechte Nachricht ist, dass der ganze Karton fünfzig Pfund kostet. Also …«
»Ich nehme ihn«, sage ich.
»Im Ernst? So viel geben Sie für einen Karton Bücher aus?« Sie lächelt und zuckt mit den Achseln. »Na ja, okay. Das macht dann wohl fünfzig Pfund, bitte.«
Meine Hände zittern, als ich mein Portemonnaie aus der Tasche ziehe, drei zerknüllte Zehn-Pfund-Scheine und einen Zwanziger herausnehme und sie ihr hinreiche. Ich denke nicht darüber nach, dass das im Moment nahezu mein gesamtes Geld ist und dass ich mir so in den nächsten drei Wochen keine warme Mahlzeit mehr leisten kann. Eigentlich ist mir so ziemlich alles egal – abgesehen davon, dass ich mit »The End of Mister Y« aus diesem Laden gehen kann, ohne dass jemand es begreift oder sich erinnert und versucht, mich aufzuhalten. Mein Herz hämmert wie wild. Werde ich zusammenbrechen und an Schock sterben, bevor ich auch nur die Chance hatte, die erste Zeile des Buchs zu lesen? Scheiße. Scheiße. Scheiße.
»Phantastisch, vielen Dank. Tut mir leid, dass es so teuer war«, sagt die junge Frau zu mir.
»Kein Problem«, bringe ich über die Lippen. »Ich brauche ohnehin eine Menge von denen für meine Dissertation.«
Ich stecke »The End of Mister Y« zur Sicherheit in meinen Rucksack, dann nehme ich den Karton und gehe aus dem Laden, halte ihn umklammert, während ich im Dunkeln nach Hause laufe, die Kälte in meinen Augen brennt und ich völlig unfähig bin, zu kapieren, was da gerade passiert ist.
Kapitel zwei
Als ich in meiner Wohnung ankomme, ist es fast halb sechs. Die meisten Läden in der Straße machen langsam zu, aber der Zeitungsladen gegenüber ist voller Leute, die auf dem Nachhauseweg anhalten, um Zeitungen oder Zigaretten zu kaufen. Die Pizzeria direkt unter meiner Wohnung ist noch dunkel, aber ich weiß, dass der Inhaber, Luigi, irgendwo dadrinnen ist und tut, was getan werden muss, damit das Lokal um sieben aufmachen kann. Im Kostümverleih nebenan sind die Lichter aus, aber im ersten Stock brennt noch gedämpftes Licht im Café Paradis, das erst um sechs schließt. Hinter den Geschäften rattert langsam ein Pendlerzug über die rostigen alten Geleise, und an dem Bahnübergang am Ende der Straße blinken die roten Lichter in regelmäßigen Abständen auf.
Der betonierte Durchgang, der bis vor die Treppe zu meiner Wohnungstür führt, ist wie immer kalt und dunkel. Es steht kein Fahrrad da, was bedeutet, dass mein Nachbar Wolfgang nicht zu Hause ist. Ich weiß nicht, wie er es sich in seiner Wohnung warm macht (obwohl ich annehme, dass die große Menge Sliwowitz, die er trinkt, ihm da wahrscheinlich hilft), aber in meiner ist es mühsam. Ich habe keine Ahnung, wann die beiden Wohnungen gebaut worden sind, aber beide sind sie zu groß, mit hohen Decken und langen, hallenden Korridoren. Eine Zentralheizung wäre großartig, aber der Vermieter will keine einbauen. Bevor ich meinen Mantel ausziehe, stelle ich den Karton mit den Büchern und meinen Rucksack auf den großen Küchentisch aus Eichenholz, knipse die Lampen an und ziehe das elektrische Heizgerät vom Schlafzimmer durch den Flur in die Küche, schalte es ein und sehe zu, wie die beiden Metallrippen schwach (und, so kommt es mir immer vor, entschuldigend) erröten. Anschließend zünde ich den Backofen und alle Flammen des Gasherds an. Ich schließe die Küchentür, und erst dann ziehe ich Mantel und Handschuhe aus.
Ich zittere, aber nicht nur vor Kälte. Ich nehme »The End of Mister Y« vorsichtig aus dem Rucksack und lege es auf den Tisch. Es scheint mir irgendwie nicht richtig, wie es da neben dem Karton mit den anderen Büchern und meiner
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