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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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plötzlich wie in einer rückwärtsgespielten Zeitlupenaufnahme wieder aufrichtet, um dann in einer völlig anderen Richtung wieder umfallen zu können –, aber die Männer sagen mir mit etwas anderen Worten, dass ich mich verpissen und nach Hause laufen oder den Bus nehmen soll wie alle andern auch. Also mache ich mich schließlich auf zur Bushaltestelle. Es ist erst Anfang Januar, aber ein paar Schneeglöckchen und Narzissen haben es bereits aus der Erde geschafft und stehen mit hängenden Köpfen in kleinen Reihen neben dem Gehweg. Die Bushaltestelle ist deprimierend: Da wartet eine Schlange von Leuten, die so kalt und schlaff aussehen wie die Blumen, also beschließe ich, zu Fuß zu gehen.
    Ich glaube, es gibt eine Abkürzung durch den Wald in die Stadt, aber ich weiß nicht, wo sie ist, daher folge ich der Route über das Universitätsgelände, die ich auch mit dem Auto genommen hätte. Den Film des einstürzenden Gebäudes spiele ich immer wieder vor meinem geistigen Auge ab, bis mir klar wird, dass ich mich an Dinge erinnere, die nie passiert sind. Ich höre auf, überhaupt darüber nachzudenken. Dann mache ich mir über den Eisenbahntunnel Gedanken. Ich kann nachvollziehen, warum man ihn dort hingebaut hat: Immerhin liegt die Universität oben auf einem steilen Hügel, und es ist natürlich sinnvoller, die Eisenbahn darunter herfahren zu lassen als darüber. Max hat gesagt, der Tunnel sei seit ungefähr hundert Jahren nicht mehr benutzt worden. Ich frage mich, was vor hundert Jahren auf diesem Hügel war. Jedenfalls nicht die Universität, denn die wurde erst in den sechziger Jahren errichtet. Es ist wirklich kalt. Vielleicht hätte ich doch auf den Bus warten sollen. Aber bislang hat mich noch kein Bus überholt. Als ich die Hauptstraße in die Stadt erreiche, sind meine Finger in den Handschuhen eiskalt, und ich fange an, mir auf der Suche nach einer Abkürzung die Straßen, die nach rechts abgehen, genauer anzusehen. Die erste ist durch ein zum Teil von Möwen zugeschissenes Verkehrsschild als Sackgasse ausgewiesen, aber die zweite sieht verheißungsvoller aus, mit ihren Reihenhäusern aus rotem Backstein, die in einer Linkskurve verschwinden, also gehe ich da rein.
    Ich hatte gedacht, es sei eine Wohnstraße, aber bald hören die roten Backsteinhäuser auf, und ich stoße auf einen kleinen Park mit zwei Schaukeln und einer Rutsche, die unter einem dunklen Baldachin aus verhedderten, nackten Eichenzweigen vor sich hin rosten. Dahinter liegen ein Pub und ein paar Geschäfte. Da ist ein trister Wohltätigkeitsladen, der schon zuhat, und die Art Friseursalon, wo man montags Blauspülungen und Haarschnitte zum halben Preis kriegt. Es gibt einen Zeitungshändler und ein Wettbüro und dann – aha! – ein Antiquariat. Es hat noch auf. Mir ist eiskalt. Ich gehe rein.
    Es ist warm in dem Laden und riecht leicht nach Möbelpolitur. Über dem Eingang ist eine kleine Glocke, die noch gut drei Sekunden weiterklingelt, nachdem ich die Tür wieder geschlossen habe. Eine junge Frau, die eine Dose Politur und ein gelbes Staubtuch in der Hand hält, kommt hinter einem großen Bücherregal hervor. Sie lächelt kurz und lässt mich wissen, dass der Laden in etwa zehn Minuten zumacht, aber dass ich mich gerne umsehen kann. Dann setzt sie sich hin und beginnt etwas auf einer Tastatur zu tippen, die mit einem Rechner vorne auf dem Ladentisch verbunden ist.
    »Haben Sie einen digitalisierten Katalog all Ihrer Bücher?«, frage ich sie.
    Sie hört auf zu tippen und schaut hoch. »Ja. Aber ich weiß nicht, wie man den benutzt. Ich vertrete nur eine Freundin. Tut mir leid.«
    »Oh. Schon gut.«
    »Was wollten Sie denn nachsehen?«
    »Es spielt keine Rolle.«
    »Nein, sagen Sie es mir. Ich erinnere mich vielleicht daran, es abgestaubt zu haben.«
    »Ähm … also gut. Na ja, es gibt einen Autor namens Thomas E. Lumas … Haben Sie irgendwelche Bücher von ihm?« Danach frage ich immer in Antiquariaten. Es gibt selten etwas von ihm, und ich habe auch bereits die meisten seiner Bücher. Aber ich frage trotzdem. Ich hoffe immer noch auf ein schöneres oder älteres Exemplar. Eins mit einem anderen Vorwort oder einem besser erhaltenen Schutzumschlag.
    »Hmm …« Sie legt ihre Stirn in Falten. »Der Name klingt irgendwie vertraut.«
    »Sie sind vielleicht einem Buch mit dem Titel ›The Apple in the Garden‹ begegnet. Das ist sein bekanntestes Werk. Aber alle anderen sind schon lange vergriffen. Er hat in der zweiten Hälfte des

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