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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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ist doch englische Literatur, oder?«
    »Ähm, ja. Eigentlich schon.«
    »Warum hast du dann die ganzen Homöopathie-Bücher hier liegen?«
    »Ach, ich arbeite immer mit seltsamen Büchern. Ich schreibe eine Dissertation über Gedankenexperimente. Ich glaube, im Grunde will der Fachbereich mich loswerden. Denen ist es ein bisschen zu naturwissenschaftlich, obwohl ich mir auch Lyrik und solche Sachen ansehe.«
    »Gedankenexperimente! Wie cool.«
    »Ja. Es macht Spaß. Du bist Evolutionsbiologin, nicht wahr?«
    »Ja, ich habe ein Forschungsstipendium in Molekulargenetik, also ist es gewissermaßen Evolution vom Anfang der Zeit oder zumindest vom Anfang des Lebens, was ziemlich verrückt sein kann. Ich muss während des Semesters ein paar von den Kleinen – so nennt mein alter Doktorvater die Studenten – unterrichten, aber meistens mache ich diese Computermodelle. Willst du mal was Cooles sehen?«
    »Ja«, sage ich. »Was denn?«
    »Schau her.« Sie berührt die Maus auf ihrem Schreibtisch, und der Flachbildschirm erwacht zum Leben. Plötzlich sind da weiße Zahlen und Buchstaben, die den ganzen schwarzen Bildschirm bedecken, und alle verändern sich wie Zahlen, die in der Börse angezeigt werden, oder Informationen in einer digitalen Matrix, man meint, man müsste ein Tick-tick-tick-Geräusch hören. »Es entschlüsselt die Ursprünge des Lebens«, sagt sie. Dann lacht sie ihr schrilles Lachen, bei dem idealerweise mehr Leute im Zimmer sein sollten, um es zu absorbieren. »Das klingt eigentlich ein bisschen bescheuert. Tut mir leid.«
    »Mannomann«, sage ich und starre auf den Bildschirm.
    »Ja. Na ja. In meinem Exposé klang es sehr viel langweiliger, aber das ist es im Grunde genommen, was ich zu tun versuche. Es geht darum, nach LUCA zu suchen. Oder eigentlich nach dem, was vor LUCA war, weil im Ernst niemand mehr an LUCA glaubt.«
    Ich starre immer noch auf den Bildschirm, aber Heather wendet sich ab. Auf ihrem Schreibtisch liegt ein Bleistift, den hebt sie auf und fängt an, damit herumzuspielen, wobei sie sich mit dem Rücken zum Monitor gegen den Schreibtisch lehnt. Die Zahlen und die Buchstaben verändern und wiederholen sich weiter vor meinen Augen. Es ist ein Schauspiel, dem man stundenlang zusehen kann. Man würde die ganze Nacht zuschauen, und wenn man später die Augen zumacht, sieht man immer noch Tausende von Buchstaben und Zahlen im Dunkeln wie wahnsinnig auf- und abrollen. »Wer ist Luca?«, frage ich.
    »Es steht für Last Universal Common Ancestor – der letzte gemeinsame universelle Vorfahr.«
    »Und das ist …«
    »Das Ding, von dem wir alle abstammen.«
    »Aha«, sage ich. »Und dieses Programm hier. Was tut es genau?«
    Heather fährt sich mit der Hand durch die Haare. »Oje – das ist vielleicht eine Frage«, sagt sie. Und dann: »Oh, hallo.«
    Eine Männerstimme sagt: »Hi.«
    Ich drehe mich um. In der Tür steht ein Typ mit einer Schachtel in der Hand. Er hat schulterlange schwarze Haare und trägt Schichten schwarzer, grauer und gebrochen weißer Sachen. Unter dem schwarzen, bis zu den Oberschenkeln reichenden Baumwolljackett sieht man ein offenes graues Hemd, darunter ein dünnes schwarzes Sweatshirt, darunter scheint ein weißes T-Shirt zu sein. Trotz all dieser Klamotten ist er dünn, macht einen knochigen Eindruck und hat eine leicht spitze Nase und die hohen Wangenknochen einer Leiche, dazu einen Drei-Tage-Bart. Er ist jung, vermutlich Anfang dreißig, aber seine braunschwarzen Augen wirken uralt.
    »Hi«, erwidere ich. »Du musst …«
    »Ich bin Adam. Mir wurde gesagt, dass es für mich hier etwas Platz zum Arbeiten gibt.«
    Heather übernimmt sofort das Kommando und springt im Büro herum wie ein Squashball.
    »Hi, Adam. Ich bin Heather. Das ist Ariel. Hier ist dein Schreibtisch, und dein Schild ist gleich hier, und es tut mir so leid, aber schau mal, was ich bereits mit dem Bücherregal angestellt habe …« Undeutlich nehme ich wieder das schrille Lachen wahr, und dass Heather noch etwas sagt. Ich bin mir nicht sicher, ob Adam ihr überhaupt zuhört: Wir können nicht aufhören, einander anzustarren. Ich habe keine Ahnung, warum, aber ich verspüre den unwiderstehlichen Drang, durch das Zimmer zu gehen und mit ihm zu verschmelzen: ich will ihn nicht küssen, nicht mit ihm ficken, sondern mit ihm verschmelzen. Es ist lächerlich – er ist viel zu jung für mich. Ich rechne damit, dass er jeden Moment den Blick abwenden wird, aber das tut er nicht. Könnte das für immer so

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