Troposphere
Arzt verwies mich an eine Abteilung für Jugendliche im örtlichen Krankenhaus. Ich erinnere mich daran, eine Seifenoper im Wartezimmer gesehen zu haben, in dem außer dem verschmierten Fernseher grüne Plastikstühle standen und Aids-Plakate hingen. Der Typ, mit dem ich zu tun hatte, war ein junger Mann mit Mondgesicht und Brille. Ich habe ihm erzählt, wie erstaunlich es sei, dass es Vergnügen bereiten könnte, sich wehzutun, und ich wüsste, dass es zu einer Sucht werden könne, sich Schnittverletzungen zuzufügen, aber ich wäre noch nicht süchtig. Ich lachte zwischendurch, als ich von meiner Kindheit erzählte. Der Therapeut sah mich die ganze Zeit über verdutzt an, und eine Woche später bekam ich einen Brief, in dem stand, sie hätten »zurzeit« keine Kapazitäten, mir zu helfen. Ich kann mich allerdings immer noch an das kleine kastenförmige Zimmer mit den dünnen Wänden erinnern. Es roch nach Zigarettenrauch, und auf dem Tisch stand ein Aschenbecher aus Alufolie neben einer Schachtel mit Papiertaschentüchern und einer Vase mit blauen Plastikblumen. Es war der Moment, in dem mir der Gedanke kam, es mit dem Rauchen zu probieren. Das trat dann schließlich an die Stelle der Schnittverletzungen, aber die Narben habe ich noch immer. Patrick gefallen sie.
Ich trinke meinen Kaffee, während Patrick weiter von dem Gespräch mit der Homöopathin redet.
»Ich weiß nicht, warum sie so viele Details wissen wollen«, sagt er und lacht kurz. »Ich bin da nur mit Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit hingegangen.«
Ich trinke meinen Kaffee aus. »Und schließlich ist dir Phosphor verschrieben worden?«
»Ja. Wo ich jetzt darüber nachdenke – ich habe seitdem keine Kopfschmerzen mehr, obwohl ich immer noch nicht gut schlafe.«
»Glaubst du daran?«
»Hmmm. Ich weiß nicht. Ich habe einen Dokumentarfilm gesehen, in dem behauptet wurde, die Heilmittel wären nur Placebos und da wäre nichts drin, was irgendeine Wirkung auf irgendwas haben könnte. Sie verdünnen die Heilmittel im Grunde so sehr, dass in chemischen Begriffen nur Wasser übrig bleibt. Anscheinend vertreten die Homöopathen den Standpunkt, Wasser habe ein Gedächtnis, was ja ziemlich bescheuert klingt.«
»Wie hat dein Medikament denn ausgesehen?«, frage ich ihn. »Und wo hast du es bekommen?«
»Oh, die Homöopathin hat es mir gegeben. Sie hatte so einen riesigen Holzschrank …« Patrick öffnet seine Arme ungefähr einen Meter weit, um das Ausmaß dieses Möbelstücks zu veranschaulichen, wobei ein Finger an jeder Hand nach oben zeigt. Mir fällt auf, dass er nicht auf seine Hände schaut, während er das tut, sondern auf die Wand hinter mir. Plötzlich wird mir klar, dass die Leute sich mit der Zentralperspektive behelfen, wenn sie auf diese Weise Größe beschreiben. Patrick sagt nicht: Es ist so groß. Er sagt: Es würde von hier aus so groß aussehen, wenn es dort drüben wäre.
Er fährt fort: »Der Schrank hatte all diese kleinen alphabetisch etikettierten Schubladen. Sie zog eine davon auf, und es waren Mengen von kleinen Glasfläschchen dadrinnen, von denen jede winzige weiße Zuckerkügelchen enthielt. Sie erklärte mir, dass das Medikament ursprünglich eine Flüssigkeit sei, die aber von den kleinen Globuli aufgesogen wird, wodurch man sie bequemer einnehmen könne. Tut mir leid. Das muss schrecklich langweilig sein.«
»Nein, das interessiert mich wirklich. Ich hatte nur gar keine Vorstellung davon, wie irgendwas von diesem Zeug eigentlich aussieht.« Ich versuche, mir mit den Fingern durch die Haare zu fahren, aber die sind vorne schlimm verheddert, also beschäftige ich mich damit, die Knoten zu entwirren, während ich weiterrede. »Kann man sich diese Kügelchen nur beim Homöopathen besorgen?«
»O nein.« Patrick lacht. »Bist du noch nie in einer Drogerie gewesen? Inzwischen verkauft man überall homöopathische Heilmittel. Du kannst sie auch in Naturkostläden bekommen. Ich hole mir Nux vomica bei Verdauungsbeschwerden. Man kriegt sie ohne Rezept.«
»Hmmm«, sage ich. »Das ist interessant. Ich wusste gar nicht, dass die Homöopathie so angesagt ist.«
»Mittlerweile ist sie ein Riesengeschäft«, sagt er. »Ich hab ein paar Nux im Büro, falls du einen Blick auf ein echtes homöopathisches Medikament werfen willst.«
»Okay.«
Die Büros der meisten Menschen sind normalerweise ein Chaos. Ich kenne Leute, die in ihren Zimmern wie eingesperrt sind und gegen 20 Uhr noch immer arbeiten, weil es über die hohen Stapel
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