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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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ist. Ich entzünde die übrigen Gasflammen und stelle mich so nah wie möglich an den Herd. Kurz darauf ist der Kaffee fertig, aber ich bleibe einfach neben dem Herd stehen und zittere und denke nach. Eigentlich müsste mir inzwischen wärmer sein. Bin ich krank? Hat die Mixtur mich auf irgendeine tiefer gehende Weise beeinflusst? Bringt sie meinen gesamten Kreislauf durcheinander?
    Und dann denke ich, dass mich – falls ich wirklich durch eine seltsame andere Dimension gereist bin, in die Köpfe von Mäusen (und einer Katze) und wieder hinaus – so ein Erlebnis wahrscheinlich schon dazu bringen könnte, dass ich mich ein bisschen komisch fühle. Ich meine, da würde sich doch bestimmt jeder komisch fühlen, oder? Bei diesem Gedanken muss ich zunächst lächeln, dann lachen. Nur ich konnte mir telepathischen Zutritt in den Kopf einer sexbesessenen Maus und in den einer verstörten Katze verschaffen. Das wäre eine gute Geschichte, abgesehen davon, dass ich keine Geschichten erzähle, und ohnehin würde niemand sie mir glauben. Ich höre auf zu lachen. Jeder andere, der das hier gemacht hat, ist gestorben. Falls man das meiner Geschichte hinzufügte, würde niemand lachen.
    Da ertönt ein Summen aus meiner Handtasche. Eine SMS.
    Sie ist von Patrick, verzeih m1e h8näckigkeit, steht da, aber ich brauch dich dringendst.
    Herr im Himmel.
     
    Nachdem ich in all meine Lexika nach Einträgen zu Apollo Smintheus durchgesehen habe, mache ich mir ein frühes Abendessen – eine Schüssel Reis mit den letzten Resten Misosuppe. Heute Abend ist mit meiner Wohnung irgendwas nicht in Ordnung. Es liegt nicht nur daran, dass die Zeit zu schnell verstrichen ist: Sie kommt mir leerer, kälter und schmutziger als üblich vor. Ich beschließe, mir keine Gedanken über den Stromverbrauch zu machen, und schalte das große Licht in der Küche und die Schreibtischlampe und das Radio an, während ich esse. Normalerweise höre ich um diese Zeit kein Radio, und ich habe keine Ahnung, was gerade läuft. Ich will etwas Tröstliches: eine halbe Stunde, in der exzentrische Menschen zum Beispiel über Reisebücher reden, oder über Gartenarbeit. Stattdessen stoße ich auf eine religiöse Diskussionssendung. Ich schaue auf die Uhr und vermute, dass sie schon seit zehn Minuten läuft. Es sind rund vier verschiedene Stimmen einschließlich des Moderators.
     
    – … aber Mantra II beweist, dass es den Patienten, für die gebetet wurde, nicht signifikant besser ging als denen, für die nicht gebetet wurde.
    – Da muss ich widersprechen …
    – (Lachen) Kommen Sie. Sie können wissenschaftlichen Untersuchungen nicht widersprechen. Es steht schwarz auf weiß im »Lancet«.
    – Für diejenigen, die es nicht wissen: Mantra II – wobei Mantra, glaube ich, für Monitoring and Actualization of Noetic Trainings steht – war eine Studie, die früher in diesem Jahr abgeschlossen wurde. Sie hatte sich zum Ziel gesetzt, herauszufinden, ob Gebete einer Gruppe von Herzpatienten signifikant halfen oder nicht. Die Gruppe von Patienten wusste nicht, ob für sie gebetet wurde oder nicht. Unter den externen Gebetsgruppen gab es Christen, Muslime, Juden und Buddhisten …
    – Mantra II ist nicht die einzige Untersuchung auf diesem Gebiet – ich habe den Eindruck, das betonen zu müssen. Was ist mit Randolph Byrds klassischer Untersuchung von 1988? Oder der Untersuchung von William Harris in Kansas City von 1999? In Harris' Untersuchung, die am St. Luke's Hospital durchgeführt wurde, waren die Ergebnisse der Gruppe, für die gebetet wurde, um elf Prozent besser als die der Gruppe, für die nicht gebetet wurde. Wissenschaftler erforschen diese Frage seit Jahrzehnten. Sie hören nicht auf, ihre Forschungen zu betreiben, weil es absolut nicht eindeutig festgestellt wurde, dass durch Bitten um Fürsprache Menschen nicht geholfen wird. In der Tat ist es ziemlich sicher, dass Gebete eine Wirkung haben, obwohl wir immer noch weit davon entfernt sind zu wissen, worin diese Wirkung besteht.
    – Was ich in meiner Praxis beobachtet habe, belegt mit Sicherheit, dass Gebete eine Wirkung in der Welt haben. Wenn ich noch einmal auf Mantra II zurückkommen darf …
    – Aber das ist doch lächerlich! Wo ist der Beweis? In der Untersuchung von Harris, die Sie erwähnen, Roger – und auf die ich in meinem Buch sehr genau eingehe –, gaben die Forscher selber zu, dass es nur einen Wahrscheinlichkeitsfaktor von 1:25 in der Untersuchung gibt. Mit anderen Worten, es gibt eine

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