Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
Vom Netzwerk:
mich an.
    Jetzt geht alles durcheinander. Meine Maus hat die orangefarbene Katze gesehen, und es ist so, als hätten wir beide eine Injektion mit eiskaltem Wasser bekommen und wären in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden. Es ist Furcht, aber eine ganz ungewohnte Furcht. Tod, Tod, Tod ist im Anmarsch. Scheiße. Meine Eingeweide haben sich in diesen eisigen Brei verwandelt, und ich muss wegrennen. Ich muss mich verstecken. … Aber Moment mal. Das Eiswasser wird allmählich hart. Ich bin dabei, festzufrieren. Ich weiß (auf einem Wissensniveau, das ich noch nicht erlebt habe), dass ich mich jetzt still verhalten muss. Und ich, Ariel, will einfach hier raus, aber ein Instinkt, von dem ich nicht wusste, dass ich ihn habe – irgendein Mausinstinkt, der auf meinen eigenen übertragen wurde –, registriert, dass es auch einen Eingang (grau, offiziell) gibt, der über der Katze schwebt. Das führt dazu, dass ich mich auf das entsprechende milchige Quadrat konzentriere, das Quadrat, das zu der Katze gehört, die auf die erstarrte Zucker-Maus sieht, deren Schrecken ich in dem winzigen Zittern in meinem/unserem Körper fühlen kann, und ich denke: Wechsel! Wechsel!
    Und jetzt verschwimme ich wieder, diesmal in etwas Größeres. Mein Schwanz fühlt sich leichter an, und ich schlage damit herum, während ich hier kauere, verrückt vor Erwartung, und mir mit der dünnen Zunge über die spitzen Zähne fahre. Das wird ein Riesenspaß, und ich bin mir nicht mal sicher, dass ich so lange warten kann, bis ich einen Satz mache. Ich bewege mein Hinterteil in einem Bogen, der sich wiederholt, balanciere mich aus. Jetzt? Nein. Warte. Brauche den richtigen Augenblick, den absolut richtigen Augenblick. Ich habe das schon Tausende Male gemacht, und es würde mir niemals langweilig werden. Ich plane meine Attacken nicht bis ins kleinste Detail, aber wenn ich an sie zurückdenke, kommen sie mir wie blutige Ballettaufführungen vor, in denen ich die Regie führe, wo ich den Tänzer mit der Tatze stoße, das Fressen tanzen lasse, es auf gebrochenen Beinen Pirouetten drehen lasse, weil ich Fressen mag, das sich bewegt. Ich fresse zwar diesen braunen Scheiß in der Plastikschüssel, aber toll ist es nicht: Es schmeckt nach Tod. Ich esse es nur, um am Leben zu bleiben, weil ich die Hälfte der Zeit ein beschissenes Glöckchen tragen muss, das das Fressen verscheucht. Aber ich kann das Glöckchen abmachen, wenn ich lange genug daran arbeite, mit den Krallen präzise daran zupfe. Also trage ich kein Glöckchen mehr, und jetzt gibt es Fressen direkt vor meiner Nase. Ich stelle mir vor, wie die warme Blutsoßen-Flüssigkeit in meinem Maul schmecken wird, sobald ich den haarigen Überzug von diesem Ding, das da vor mir zittert und regungslos zu tun versucht, abgerissen habe. Ich erinnere mich an den Geschmack … O Gott. Oh, igitt. Es ist wie heißes Bovril, gemischt mit Eisentabletten und Rost. Und jetzt denke ich, dass es wirklich ekelhaft sein muss, aber die Synapsen (oder was auch immer) in meinem Vorstellungsvermögen und in dem der Katze springen jetzt auf und ab wie Grundschüler im Sportunterricht. Nach ein paar Sekunden bin ich fast davon überzeugt, dass Blut doch köstlich ist, aber der menschliche und vegetarische Rest von mir denkt: Nein! Ich kann spüren, wie sich dieser Gedanke mit den Gedanken der Katze vermischt, und deswegen zögere ich, als die Maus beschließt, das sei der richtige Moment, um unter die Mülltonne zu sausen. Und mein Katzenverstand macht einen Flickflack, nur eine Sekunde lang, aber es reicht, um alles zu vermasseln. Es gibt eine Stimme in meinem Kopf, die mir befiehlt, es nicht zu tun. Ich verstehe das nicht. In meiner Sprache gibt es keinen Begriff für warum. Das ist wie Kopfschmerzen, eine Erinnerung an ein weißes Zimmer und einen Tisch und daran, am Hals festgehalten zu werden, während etwas Scharfes in mich hineingestochen wird. Na ja, jetzt hält mich niemand fest.
    Verpiss dich, Beifahrer.
    Nein.
    Du bist wie ein Floh in meinem Kopf.
    Na ja … Vielleicht hast du recht. Warum soll dieses Stück Fressen überhaupt verschont werden? Was ist »verschonen«? Nichts ergibt einen Sinn. … Ariel: Du bist keine Scheißkatze. Du warst diese Maus. Du hast dich an dein Nest erinnert. Aber ich bin keine Maus mehr. Und jetzt will ich ihr Blut schmecken.
    Ein Summen in meinem Kopf, das ich nicht kenne. Eine Chemikalie, die stärker ist als Furcht.
    Ich bewege mich mittlerweile langsam vorwärts. Das Fressen hat

Weitere Kostenlose Bücher