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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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sagen? ›Wir wollen …‹«
    »Wir wollen es nochmal probieren.«
    Dieser Idiot redet von einer Beziehung wie Kinder von einem Kreisel. Och, ich will es einfach nochmal probieren! Aber ich sagte kein Wort, und deshalb redete er einfach immer weiter davon, dass er gedacht hätte, er wäre vielleicht schwul oder wenigstens bisexuell, aber jetzt wäre er nicht sicher. Er sagte, er glaubte, er wäre wahrscheinlich bisexuell, aber das bedeutete wirklich, dass er bei seiner Freundin bleiben könnte, und schließlich hätten sie zwei Kinder, und sie hätte recht, wenn sie meinte, dass er lieber an sie denken als nur seinem Schwanz folgen solle.
    Konsole!
    Konsole?
    Konsole?
    Mist. Ich muss hier raus. Ich hatte keine Ahnung, dass das hier Wolfs Kopf ist, obwohl ich da eigentlich auch etwas früher hätte draufkommen können. O Gott. O Gott. Ich kann nicht glauben, dass ich auf diese Weise in sein Leben eindringe. Ich sollte nichts von alledem hier wissen. Ich hatte keine Ahnung. Oh, Wolf … es tut mir so leid. Wo ist die Kellnerin nur hingegangen? Ich kann mich leider nicht nach ihr umschauen: Ich kann nur sehen, was Wolf sieht, und der schaut nur auf den Tisch. Keine Türen. Keine milchigen Bilder.
    Konsole?
    Aber sie kommt nicht. Ich stecke fest.
    Jetzt steht er auf, um das Café zu verlassen. Aber er schaut immer noch niemanden an.
    Und ich begreife, wie er sich fühlt. Es muss jetzt, mal sehen, siebzehn Jahre her sein. … Herrgott, was komme ich mir alt vor. Ich war verliebt, das erste und einzige Mal bis über beide Ohren in aller Unschuld in einen Typen verliebt, der in der Stadt studierte, als ich die mittlere Reife machte. Er hatte dunkle schulterlange Haare und fuhr einen kleinen blauen Mini. Ich brauchte nur das Auto auf dem Parkplatz der Universität zu sehen, und schon durchfuhr mich ein kleines summendes Erschauern. Dann servierte er mich ab, weil ich zu jung für ihn war, und ich verbrachte ungefähr ein Jahr damit, ihm fast wie ein Stalker nachzuschleichen (einmal stellte ich ihm sogar einen amüsant geformten Kaktus vor die Haustür), bevor ich beschloss, endgültig einen Strich unter die Liebe zu ziehen.
    Wolf will sich allerdings nicht als Stalker betätigen. Wolf wird sich betrinken. Wir werden uns betrinken. …
    Ich werde mich betrinken.
    Es hat angefangen zu schneien. Die Bakterien-Leute auf dem Bürgersteig zertreten die Schneeflocken sofort zu einem dünnen Brei; er hat genau die Konsistenz des Zitroneneisgetränks, das Heikes Mutter immer für uns machte, wenn wir nachmittags in unseren Uniformen von den Pfadfindern zurückkamen. Aber das Zeug auf dem Bürgersteig ist schmutzig und braun. Und das ist es: das ganze Leben auf den Punkt gebracht. Man fängt an mit einem sauberen Zitronensaft auf gestoßenem Eis, und am Ende sitzt man da mit einer scheißefarbenen Schweinerei. Das ist es, was aus dir wird. Und ich weiß, wo ich jetzt hinmuss, also gehe ich mit Autopilot durch den braunen Matsch, ohne zu weinen. Noch weine ich nicht.
    Aber es wird schon okay sein. Wenn man genug Bourbon trinkt, fällt die Verletzbarkeit allmählich von einem ab. Um drei Uhr früh wird es mir egal sein. In einer Stunde bin ich vielleicht derart narkotisiert, dass ich aufhöre, daran zu denken, wann ich anfange zu weinen. Der feuchte Schnee wird von einem eisigen Wind begleitet, aber ich habe keine Lust, die Knöpfe an meinem Mantel zuzumachen. Ich glaube, ich habe meinen Schal im Café liegenlassen. Gut. Vielleicht erfriere ich ja. Stell dir vor, wie ich mit gebrochenem Herzen im Park auf einer Bank liege, erfroren. Robert wird es in der Lokalzeitung lesen und … Traurigere Vorstellung: Ich sterbe wie zuvor auf einer Parkbank usw., und der Arsch liest nicht mal was darüber. Ich könnte sterben, und niemand würde es erfahren. Meine Nachbarin Ariel würde es vielleicht nach ein paar Tagen bemerken. Catherine würde es allerdings nichts ausmachen. Sie hat nichts gesagt, als ich mit ihr Schluss gemacht habe. Sie hat nicht mal geweint. Sie hat mir nicht gesagt, ich hätte einen Fehler gemacht. Sie hat mich nicht angefleht, ich sollte mir die Männer aus dem Kopf schlagen. Das veranlasst mich fast, direkt in den Park zu gehen und alle Knöpfe an meinem abscheulichen roten Hemd aufzumachen, aber ungeachtet dessen, was ich allen erzähle, bin ich kein Selbstmörder.
    Da kommt mir ein Typ im Straßenanzug entgegen, er hält sich eine Zeitung über den Kopf, damit keine Schneeflocken mehr auf seine kahle Stelle fallen. Hey,

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