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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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besser aussehen als im wirklichen Leben. Vielleicht ist er ein PhotoFit. Seine riesigen Augenbrauen scheinen nicht zu seinen winzigen Schrotkugel-Augen zu passen. Oder vielleicht liegt es an der Nase, die wie angeklatscht wirkt oder als ob ihm jemand gerade eine verpasst hätte. Er kommt und stellt sich neben mich und holt seinen Schwanz aus, aber er fängt nicht an zu pissen. Er sieht in meine Richtung, hinunter auf meinen Schwanz, und dann blickt er mir in die Augen. Ich schaue auf seinen Schwanz. Er schaut wieder auf meinen Schwanz. Ist das eine Art Geheimcode? Bevor ich kapiere, was geschieht, sind wir in einer der Kabinen. Ich knie vor ihm auf dem rutschigen Fliesenboden, während er mich in den Mund fickt. Alles, was ich schmecken kann, ist kalte Pisse.
    Als es vorbei ist, nennt er mich eine Nutte und geht weg. Ich denke wieder an Donatellos »David«, und das ist der Moment, als ich zu weinen anfange, nachdem ich in die Toilette hinter mir gekotzt habe: Jack Daniel's, versetzt mit Sperma und nur einer schwachen Erinnerung an Kaffee. Frauen sind leichter als das hier. Ich werde eine Frau finden, die mir hilft. Ich werde … O Gott. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich jemals im Leben wieder Geschlechtsverkehr haben will. Aber man bekommt nichts ohne Geschlechtsverkehr oder die Aussicht auf Geschlechtsverkehr (es sei denn, ich habe da was falsch verstanden, und ich meine eigentlich Gewalt, aber ich bin ein bisschen betrunken). Vielleicht versuche ich mich aufzuhängen, damit man wenigstens etwas Mitleid mit mir hat. Ist das leicht misszuverstehen?
    Die nächsten Minuten sind verwirrend. Wesley – ich bin mir sicher, dass er es ist – kommt gerade rein, als ich die Kabine aufschließe. Er schleift mich durch den Gang in die Küche, wo ich es schaffe, mit dem Ellbogen in einem Behälter voll Krabbencocktail zu landen, bevor er mir das Gesicht auf die Edelstahlanrichte drückt.
    »Mach das nie wieder in meinem Scheißhotel, du Scheißschwuler«, sagt Wesley. Ich habe ehrlich keine Ahnung, wovon er redet. Ich glaube nicht, dass er mich rausschmeißt. Ich glaube, das ist so was wie eine erste Abmahnung. Irgendwas tut mir weh: mein Arm hinter meinem Rücken. »Wehr dich, du miese Muschi«, sagt er und reißt mich am Kragen nach hinten.
    Ich lache, weil ich kurz vergesse, dass Muschi in diesem Kontext nicht »süßes Kätzchen« bedeutet.
    »Lachst du mich etwa aus?«
    Ich wirble herum, sehe eine Faust, und dann wird alles schwarz.
    Konsole?
    Nichts.
    Auf dem Nachhauseweg versuche ich, mich überfahren zu lassen. Ich gehe sogar auf der Straße durch den Westgate Tower und murmele: Arschloch, Arschloch, aber der Verkehr hinter mir wird nur langsamer, als wäre das die Prozession einer Beerdigung und nicht nur ein Betrunkener, der einen Tritt in den Hintern braucht. Im Park versuche ich zwei Halbstarke auf einer Bank zu beschimpfen, aber sie schauen nur verschreckt hoch und rennen weg. Ich glaube, ich könnte vergessen haben, wo ich wohne, aber dann bin ich zu Hause und mein Fahrrad steht auch da.
    Ich spucke zweimal auf den Boden, bevor ich reingehe. Zwei Männer in einem schwarzen Wagen schauen mich finster an, bevor sie wegfahren und um die Ecke parken. Vielleicht steigen sie gleich aus und kommen her und schlagen mich zusammen. Will ich das immer noch? Aber es passiert nichts: Es sieht so aus, als wären sie eingeschlafen.
    Einschlafen. Das ist eine ziemlich gute Idee. Vielleicht schlafe ich einfach ein und wache nicht mehr auf. Ich frage mich, ob Ariel Schlaftabletten hat. Unwahrscheinlich. Soll ich ihr jetzt einen Besuch abstatten? Bin ich durchgedreht? Würde ich objektiv »durchgedreht« wirken, wenn ich jetzt bei jemandem klopfe? Eigentlich glaube ich nicht, dass ich auch nur die Energie habe, die Treppe hochzusteigen. Es sieht ziemlich bequem aus auf dem Beton. Ich glaube, ich lege mich einfach …
    »Oh. Ähm … tut mir leid.«
    Wer hat das gesagt? Oh … Ein Typ kommt die Treppe runter. Wow! Sieh sich einer diese Wangenknochen an. Aber – autsch. Er hat überall blaue Flecken. War Ariel mit ihm im Bett? Ich würde mit ihm ins Bett gehen, wenn ich sie wäre. Er sieht so aus, wie sie aussehen würde, wenn sie ein großer Mann mit dunklen Haaren wäre. Es ist Ariel als Mann, ein männlicher Ariel. Was macht der hier? Ist er in Wirklichkeit Ariel in Männerverkleidung? Warum sollte sie sich verkleiden und sich einen anderen Akzent zulegen? Es tut ihm leid. Es tut ihm leid, weil ich mich gerade zum Schlafen

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