Trouble - Ein Jack-Reacher-Roman
und Manuel Orozco.
Sie sind ab sofort wandelnde Tote. Niemand wirft meine Freunde aus Hubschraubern und überlebt, um davon erzählen zu können.
Reacher trat ins Freie. Blieb einen Augenblick lang exponiert stehen, als erwartete er Feuer von Heckenschützen. Inzwischen war reichlich Zeit gewesen, ganze SWAT-Teams in Stellung zu bringen. Aber auf dem Gehsteig blieb es still. Nirgends geparkte Fahrzeuge. Kein auffälliger Lieferwagen eines Blumengeschäfts. Keine angeblichen Arbeiter einer Telefongesellschaft. Keine Überwachung. Er bog nach links in den Sunset Boulevard ein. Wieder links am Laurel Canyon Boulevard. Ging langsam und hielt sich dicht an Hecken und Rabatten. Bog erneut links auf die kurvenreiche Canyon-Straße ab, die hinter dem Hotel vorbeiführte.
Geradeaus vor sich sah er den beigen Crown Victoria.
Der Wagen stand hundert Meter entfernt allein am linken Randstein geparkt. Still, bewegungslos, mit abgestelltem Motor. Wie O’Donnell gesagt hatte, war das zertrümmerte Beifahrerfenster mit einem straff gespannten schwarzen Müllsack zugeklebt. Der Fahrer saß am Steuer. Bewegte sich kaum, außer wenn er den Kopf drehte. Linker Seitenspiegel, geradeaus, rechter Seitenspiegel. Der Kerl hatte einen regelrechten Rhythmus entwickelt. Hypnotisch. Links, Mitte, rechts. Reacher sah die Aluminiumschiene aufblitzen, mit der seine Nase fixiert war.
Der Crown Vic machte den Eindruck, als stünde er seit vielen Stunden dort.
Der Kerl war allein, beobachtete nur und wartete.
Aber worauf?
Reacher machte kehrt und ging auf dem Weg, auf dem er gekommen war, ins Château Marmont zurück. Betrat die Hotelhalle. Setzte sich wieder in seinen Sessel und hatte den Ansatz einer neuen Theorie im Kopf.
Seine Frau hat mich angerufen, hatte Neagley gesagt.
Was hat sie von dir gewollt?
Nichts, hatte Neagley gesagt . Sie hat’s mir nur erzählt.
Mir nur erzählt.
Und dann: Charlie, der an der Türklinke hing. Reacher hatte gefragt: Ist’s okay, dass du die Tür ganz allein aufmachst? Und der Junge hatte geantwortet: Ja, das ist okay.
Und dann: Charlie, du solltest rausgehen und ein bisschen spielen.
Und dann: Ich glaube, dass es etwas gibt, das Sie uns verschweigen.
Betriebskosten.
Reacher saß in der Halle des Château Marmont in einem Samtsessel, dachte nach und wartete darauf, seine Theorie bestätigt oder widerlegt zu sehen, je nachdem, wer zuerst von der Straße hereinkam: seine alte Einheit oder eine Horde wütender Deputies aus dem L.A. County.
30
Seine alte Einheit kam zuerst herein, zumindest was noch von ihr übrig war. Die Überlebenden. O’Donnell, Neagley und Dixon, alle schnell und besorgt. Sie machten verblüfft halt, als sie ihn entdeckten, und Reacher hob grüßend die Hand.
»Du bist noch da«, sagte O’Donnell.
»Nein, ich bin eine optische Täuschung.«
»Große Klasse.«
»Was hat Angela gesagt?«
»Nichts. Sie weiß nichts von seinen Klienten.«
»Wie war sie?«
»Wie eine Frau, deren Mann vor Kurzem gestorben ist.«
»Was hältst du von Charlie?«
»Netter Junge. Ganz der Vater. So lebt Franz gewisser maßen weiter.«
Dixon fragte: »Wieso bist du noch hier?«
»Das ist eine sehr gute Frage«, antwortete Reacher.
»Wie lautet die Antwort?«
»Ist der Deputy noch dort draußen?«
Dixon nickte. »Wir haben ihn vom Ende der Straße aus gesehen.«
»Kommt, wir gehen nach oben.«
Diesmal benutzten sie Reachers und O’Donnells Zimmer. Es war etwas größer als das von Dixon. Als Erstes holte Reacher sein Geld, seinen Reisepass und seine Bankkarte wieder aus O’Donnells Koffer.
O’Donnell bemerkte: »Du rechnest anscheinend damit, dass du bleiben kannst.«
»Ich denke schon«, sagte Reacher.
»Weshalb?«
»Weil Charlie die Tür ganz allein geöffnet hat.«
»Und das bedeutet?«
»Angela macht den Eindruck, eine ziemlich gute Mutter zu sein. Schlimmstenfalls normal. Charlie war sauber, gut genährt, gut angezogen, ausgeglichen, gut versorgt, gut betreut. Daraus können wir schließen, dass Angela ihre Mutterpflichten ernst nimmt. Trotzdem hat sie dem Kleinen erlaubt, zwei wildfremden Menschen die Haustür aufzumachen.«
Dixon sagte: »Sie ist frisch verwitwet. Vielleicht war sie in Gedanken woanders.«
»Eher im Gegenteil. Ihr Mann ist vor über drei Wochen ermordet worden. Ich vermute, dass sie ihre anfängliche Reaktion überwunden hat. Sie klammert sich jetzt mehr denn je an Charlie, weil sie nur noch ihn hat. Trotzdem hat sie den Kleinen die Tür aufmachen lassen
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