Trouble - Ein Jack-Reacher-Roman
feierlich zusammen mit dem Zimmerschlüssel übergeben wurde. Reacher bezahlte die vier Zimmer mit seinem erbeuteten Geld in bar, sodass sie ihre wirklichen Namen nicht nennen und sich auch nicht ausweisen mussten. Sie parkten die beiden Wagen außer Sichtweite der Straße und versammelten sich dann in der düsteren, ziemlich heruntergekommenen Lounge neben einem Wäscheraum – so anonym, wie es vier Menschen im Los Angeles County überhaupt möglich war.
Ein Motel, wie es Reacher gefiel.
Ungefähr eine Stunde später rief Diana Bond an, um Neagley mitzuteilen, sie biege gerade auf den Parkplatz des Denny’s ein.
54
Sie gingen das kurze Stück den Sunset Boulevard entlang zu Fuß, betraten das neonhelle Foyer des Schnellrestaurants und fanden dort eine hochgewachsene Blondine vor, die auf sie wartete. Sie war ganz in Schwarz gekleidet: schwarze Jacke, schwarze Bluse, schwarzer Rock, schwarze Strümpfe, schwarze Pumps mit hohen Absätzen. Ein strenger Ostküstenstil, in Kalifornien leicht deplatziert und in einem kalifornischen Denny’s gänzlich fehl am Platz. Sie war schlank, attraktiv, offensichtlich intelligent, irgendwo Ende dreißig.
Sie wirkte leicht irritiert und gedankenverloren.
Sie wirkte leicht besorgt.
Neagley stellte sie den anderen vor. »Das hier ist Diana Bond«, erklärte sie. »Aus Washington, D.C. , über die Edwards Air Force Base hergekommen.«
Diana Bond hatte außer einer kleinen Krokohandtasche nichts bei sich. Keinen Aktenkoffer, aber Reacher erwartete ohnehin keine Blaupausen oder Unterlagen. Sie gingen durch das schäbige Restaurant nach hinten und fanden dort einen runden Tisch. Für fünf Personen waren die Sitznischen zu klein. Als eine Bedienung erschien, bestellten sie Kaffee. Sie kam mit fünf schweren Bechern zurück, die sie aus einer Thermoskanne füllte. Nachdem jeder einen Schluck genommen hatte, herrschte Schweigen. Dann ergriff Diana Bond das Wort. Sie hielt sich nicht mit langen Vorreden auf, sagte stattdessen: »Ich könnte Sie alle verhaften lassen.«
Reacher nickte.
»Mich wundert’s eigentlich, dass Sie das nicht getan haben«, erwiderte er. »Ich hatte erwartet, Sie hier von Agenten umringt anzutreffen.«
Bond sagte: »Ein Anruf bei der Defense Intelligence Agency hätte genügt.«
»Wieso haben Sie es dann nicht getan?«
»Ich versuche, zivilisiert zu sein.«
»Und loyal«, sagte Reacher. »Ihrem Boss gegenüber.«
»Und meinem Land gegenüber. Ich möchte Sie wirklich auffordern, diese Ermittlungen nicht fortzusetzen.«
Reacher entgegnete: »Dann hätten Sie eine weitere Fahrt vergebens gemacht.«
»Das würde mir nicht das Geringste ausmachen.«
»Alles von unseren Steuergeldern.«
»Ich bitte Sie!«
»Taube Ohren.«
»Ich appelliere an Ihren Patriotismus. Hier geht’s um die nationale Sicherheit.«
Reacher sagte: »Wir vier haben gemeinsam sechzig Jahre in Uniform auf dem Buckel. Wie viele haben Sie?«
»Keines.«
»Wie viele hat Ihr Boss?«
»Keines.«
»Dann halten Sie die Klappe, was Patriotismus und nationale Sicherheit betrifft, okay? Dafür sind Sie nicht qualifiziert.«
»Wieso um Himmels willen brauchen Sie Informationen über Little Wing?«
»Wir hatten einen Freund, der bei New Age arbeitete. Jetzt versuchen wir, seinen Nachruf zu vervollständigen.«
»Er ist tot?«
»Wahrscheinlich.«
»Das tut mir sehr leid.«
»Danke.«
»Aber ich möchte Sie trotzdem bitten, diese Nachforschungen einzustellen.«
»Ausgeschlossen.«
Diana Bond machte eine lange Pause. Dann nickte sie.
»Okay, wir tauschen«, sagte sie. »Ich informiere Sie in groben Zügen, und Sie schwören bei diesen sechzig Jahren in Uniform, nichts davon weiterzugeben.«
»Abgemacht.«
»Und nachdem ich dieses eine Mal mit Ihnen gesprochen habe, höre ich nie wieder etwas von Ihnen.«
»Abgemacht.«
Eine weitere lange Pause, als ränge Bond mit ihrem Gewissen.
»Little Wing ist ein neuartiger Torpedo«, erklärte sie dann. »Für die U-Boote der Pazifikflotte der Navy. Weit gehend konventionell, aber mit seiner neu entwickelten Elektronik erheblich besser steuerbar.«
Reacher grinste.
»Netter Versuch«, sagte er. »Aber das nehmen wir Ihnen nicht ab.«
»Wieso nicht?«
»Ihre erste Antwort hätten wir so und so nicht geglaubt, weil sie natürlich versuchen würden, uns mit einem Bluff abzuwimmeln. Außerdem haben wir es den größten Teil der schon erwähnten sechzig Jahre mit Lügnern zu tun gehabt – folglich erkennen wir einen, wenn wir einen
Weitere Kostenlose Bücher