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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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Spur von dem Bauunternehmer. Stattdessen kam ein hübsches, rundliches Mädchen mit einem Strohhut auf den steif geflochtenen Zöpfen schwankend mit dem Fahrrad die Auffahrt herauf. Es war Viola O’Neill, und sie besuchte die Zwillinge. Als sie vorüberkam, warf sie dem Major einen beunruhigend schmachtenden Blick zu. Der Major stand im Foyer und hörte geduldig einem alten Herrn zu, der in Strümpfen heruntergekommen war. Der Major verfolgte, wie ihre schlanke weiße Hand Windung um Windung des Treppengeländers nach oben entschwebte, und seufzte melancholisch. »Warum konnte Sarah mich nicht so begehren?«
    »Haben Sie denn gar keine Idee, wo sie sein könnten?«, fragte der alte Herr vorwurfsvoll, und das nicht zum ersten Mal.
    »Wer?« Der Major hatte sich in seinen Gedanken verloren. »Oh ja, natürlich, Ihre Schuhe sind verlorengegangen. Ich werde nachforschen.«
    Der alte Herr, der zum ersten Mal im Majestic war, hatte die Schuhe vor die Zimmertür gestellt. Und nicht nur hatte niemand sie geputzt, sie waren schlichtweg verschwunden! Und seine sämtlichen anderen Schuhe waren in einem Schrankkoffer, der erst noch vom Bahnhof geholt werden musste. Der Major ließ ihn in der Hotelhalle zurück und machte sich auf die Suche nach Murphy, dem er dann wiederum auftragen würde, die Dienstmädchen zu befragen.
    Später am Tag, als er, immer noch auf der Suche nach den Schuhen, in eins der oberen Stockwerke kam, öffnete er eine Tür und wurde mit erschrockenen und entsetzten Schreien begrüßt: durch den blauen Zigarettendunst sah er drei Gestalten in Unterröcken. Diskret schloss er die Tür wieder. Aber er war doch schockiert und dachte: »Das muss ich Edward sagen. Wenn die Mädchen so weitermachen …« Aber dann ärgerte er sich über Edward und fragte sich, warum
er
dessen Töchter erziehen sollte; das sollte er gefälligst selbst tun! Und außerdem, die jungen Frauen heutzutage …
    Im Laufe des Nachmittags klärte sich die Frage nach den Schuhen auf. Offenbar hatte die Köchin, als sie zur Vorbereitung des Frühstücks nach unten ging, sie vor der Tür des Gentlemans stehen gesehen und natürlich geglaubt, er wolle sie wegwerfen – ein Paar Schuhe, das noch vollkommen in Ordnung war! Sie hatte sie mitgenommen und Séan Murphy gegeben, der sie den ganzen Morgen bei der Gartenarbeit getragen hatte.
    In der ersten Dezemberwoche kam auch Padraig ins Majestic, um die Zwillinge zu besuchen; nicht der alte Dr. Ryan hatte ihn geschickt, sondern sein Vater, von dem sich herausgestellt hatte, dass er nicht nur ein überzeugter Anhänger der Union war, sondern noch dazu ein Snob. Der Major rief Padraig (der bleich und beklommen wirkte – es war offensichtlich, dass er nicht gerade begierig darauf war, die Zwillinge zu sehen) und erkundigte sich nach seinem Großvater.

»Oh, dem geht’s gut. Ich sehe ihn nicht mehr so oft. Er hat eine Köchin und ein Dienstmädchen, aber er lässt kaum jemanden ins Haus.«
    »Und er spricht immer noch nicht wieder mit deinen Eltern?«
    Padraig nickte. »Er ist furchtbar störrisch und missmutig. Er hat meinem Vater gesagt, er ist ein Verräter an der Sache Irlands, weil er sich auf die Seite der Briten geschlagen hat.«
    »Ich wusste nicht, dass er zur Sinn Féin gehört.«
    »Ach, da dürfen Sie nichts drauf geben«, sagte Padraig, dessen Blick besorgt zum Treppenabsatz über ihnen ging, wo drei hübsche Gesichter am Geländer erschienen waren. »Er ist so alt.«
    »Also, hier ist euer Gast«, rief der Major streng nach oben. »Ich hoffe, ihr behandelt ihn anständig und benehmt euch.«
    Padraig stieg hinauf, als erklimme er die Stufen zum Schafott, und die Mädchen packten ihn und schleppten ihn fort. Der Major kümmerte sich wieder um seine eigenen Angelegenheiten.
    Erstaunlicherweise amüsierte sich Padraig aber wohl doch. Am folgenden Tag erschien er wieder und wirkte fröhlich und selbstbewusst, und am dritten Tag ebenso. »Wahrscheinlich musste nur erst das Eis brechen«, dachte der Major.
    Wieder einmal waren die Nerven des Majors in beklagenswertem Zustand. Er brachte es kaum noch über sich, die Zeitung aufzuschlagen, denn offenbar hatte der Krieg, von dem er geglaubt hatte, er sei ihm entronnen, ihn verfolgt und doch noch zu fassen bekommen. In Cork, Tipperary, Kerry und Limerick wurde das Kriegsrecht verhängt. Am Abend des 11. Dezember wurde die Stadt Cork von den Hilfstruppen und Schwarzbraunen verwüstet, nachdem zuvor eine Patrouille überfallen worden war. Als er

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