Troubles (German Edition)
auch aus praktischen Gründen. Schließlich war es nicht
seine
Aufgabe, das Hotel zu führen. Aber es brauchte dringend jemanden, der es führte. Nicht nur, dass die Zahl der Gäste zunahm (was schlimm genug war, denn anscheinend wollte sie ja keiner), es gab auch ein oder zwei Abreisen unter den Stammgästen, und der Grund konnte nur sein, dass sie das Leben im Majestic inzwischen tatsächlich nicht mehr aushielten. Der Major wies Edward vorsichtig darauf hin, dass weitere Abreisen womöglich eine Massenflucht auslösen könnten, sodass nach Weihnachten keine Gäste mehr blieben.
»Meinen Sie?«, fragte Edward, und einen Moment lang lebte er auf. Doch dann: »Manche haben natürlich gar keinen anderen Ort, an den sie gehen könnten.« Jetzt war er von Neuem niedergeschlagen und widmete sich wieder dem Band, in dem er las.
»Ja wenn Sie denn wirklich wollen, dass sie abreisen …«, entgegnete der Major ärgerlich.
Was den Major am meisten beunruhigte, war der Umstand, dass das Majestic im wahrsten Sinne des Wortes zerfiel. Edward versuchte gar nicht mehr, es instandzuhalten. Der Major musste zugeben, dass Edwards Sicht der Dinge (wenn er sie denn ansah) nur vernünftig war. Schließlich hatte das Hotel über dreihundert Zimmer. Selbst wenn die Hälfte des Hauses unbewohnbar wurde, blieben ihm immer noch hundertfünfzig – das war mehr als genug, um sich selbst und die Zwillinge unterzubringen und die Dienerschaft und jeden, der sonst noch den Niedergang des Hotels überstand. Und in der Zwischenzeit gewöhnten sich die Gäste, so sehr sie auch murren mochten, bemerkenswert gut an das Nomadenleben, mit dem sie von einem Zimmer zum nächsten weiterzogen, sobald Möblierung oder Installation es notwendig machten.
Gewiss, der Zustand der Einrichtung, schon zuvor schlecht genug, hatte sich weiter verschlechtert (nicht dass es dem Major noch groß auffiel). Das Grünzeug, das sie aus dem Palmenhaus gerettet hatten, machte nun Anstalten, den Salon zu übernehmen; die vielen Spiegel waren schmutziger und blinder denn je; die Gaslampen, die bis vor Kurzem Treppenhäuser und Korridore erleuchtet hatten, brannten nicht mehr, sodass die Damen sich mit pochendem Herzen den Weg zu ihren Zimmern ertasten mussten; die Suppe im Speisesaal wurde von Tag zu Tag dünner und kälter, und da die Köchin nehmen musste, was sie fand, erschienen Speck und Kohl, gefolgt von Bratäpfeln als Nachtisch, immer häufiger auf dem Speiseplan; im Park stürzte eine große Kiefer um und zerschlug mit solchem Scheppern ein Gewächshaus, dass zwei Damen (Miss Devere und eine Mrs. Archibald Bradley) auf der Stelle ihre Koffer packten; auf den wenigen noch verbliebenen Tennisplätzen breitete sich eine eigentümlich robuste und schnellwachsende Kleesorte aus, und wenn jemand versucht hätte, Tennis zu spielen (was niemand tat), hätte er feststellen müssen, dass selbst der energischste Aufschlag den Ball nie höher als sechs Fuß über den Boden gebracht hätte. Doch Edwards Blick war dieser Tage stets auf den fernen Horizont gerichtet, und wenn ein Neuankömmling zu ihm kam und sich beschwerte, hörte er ihm anscheinend kaum zu, obwohl er eifrig mit dem Kopf nickte und immer wieder, geradezu hoffnungsvoll, sagte: »Hören Sie, möchten Sie Ihr Geld zurück?« Oder er paffte seine Pfeife, starrte auf seine Schuhe und murmelte: »Wirklich, das ist sehr bedauerlich … Lassen Sie sich versichern, dass wir Ihnen das nicht in Rechnung stellen werden … Ich meine, das kann man doch nicht …« Und dann verstummte er.
Eines ungewöhnlich warmen Tages löste sich das riesige M des MAJESTIC von der Hotelfassade und stürzte vier Stockwerke tief, wo es ein Tischchen zerschmetterte, an das sich eine sehr alte und sehr schwerhörige Dame, eine von den ersten Weihnachtsgästen, in dem milden, beinahe sommerlichen Sonnenlicht zum Tee gesetzt hatte. Sie habe nur einen Moment lang den Blick abgewandt, erklärte sie Edward mit sehr lauter Stimme (ja, sie brüllte beinahe), und habe überlegt, wo in alten Zeiten die Blumenuhr gewesen sei. Vielleicht habe sie für einen Moment oder zwei die Augen geschlossen. Als sie sich wieder ihrem Tee zuwenden wollte, war er nicht mehr da! Verwüstet von diesem merkwürdigen möwenförmigen Stück Gusseisen (zum Glück erkannte sie nicht, was es war, und hatte keine Ahnung, woher es gekommen war). Edward machte einen halbherzigen Versuch, in die unterseeische Stille vorzudringen, in der die alte Dame lebte, murmelte eine
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