Troubles (German Edition)
Kindheitserinnerungen mit dem Majestic, dass es ihnen, auch wenn sie wussten, dass es nicht mehr war wie früher, schwerfiel fortzubleiben.
Der Major war oft der erste, der zur Hand war, wenn sie eintrafen (weder Edward noch Murphy noch jemand von der Dienerschaft ließ sich blicken), und derjenige, der ihnen über den schlimmsten Schock hinweghelfen musste. Doch bald stellte er fest, dass es einfacher war, wenn er sich genauso wenig darum kümmerte wie alle anderen. Irgendwie würden die Neuankömmlinge schon zurechtkommen. Und bis dahin war es weniger peinlich, wenn man ihnen nicht begegnete. Aber der Major nahm doch Anteil, wenn er sie in der schäbigen Pracht der Hotelhalle neben ihrem Berg von Gepäckstücken stehen sah, wo sie vielleicht schweigend darauf warteten, dass jemand sich ihrer annahm, vielleicht dem gebrechlichen Tick-Tack der Uhr über der Rezeption lauschten (die der Major als kleines Zeichen der Begrüßung aufgezogen hatte) und sich fragten, ob das denn wirklich die richtige Uhrzeit war (natürlich war sie es nicht) oder besorgt auf das nummerierte Brett mit den schweren Zimmerschlüsseln schauten, die, ein schlechtes Zeichen, fast alle dort zu hängen schienen – das einzige, was an dem Hotel noch ganz beisammen war, mochten sie vielleicht später denken, und das schloss Edward und die Dienerschaft mit ein.
Sie standen dort und betrachteten die verstaubten goldenen Cherubim, die roten Plüschsofas, den schmutzigen Kronleuchter, die Venusstatue. Während sie mit bösen Vorahnungen darauf warteten, dass jemand sich ihrer annahm (denn Murphy war beim Anblick einer Kutsche beladen mit schweren Koffern gewiss im tiefsten Dschungel des Palmenhauses verschwunden), würde ihnen die unvermeidliche Erkenntnis kommen, dass nichts gegen Wachstum, Wandel und Verfall gefeit ist, nicht einmal die am eifersüchtigsten gehüteten Erinnerungen.
Die Beziehung zwischen Edward und dem Major hatte sich weiter verschlechtert, zweifellos als Folge des Kusses im Foyer, den er mit angesehen hatte. Nicht nur war der Major eifersüchtig auf Edward, sondern anscheinend war Edward auch eifersüchtig auf
ihn
, wodurch der Major Edwards Kühle eine Zeitlang einen gewissen Trost abgewinnen konnte. Doch dann kam der Tag, an dem ihm eine unliebsame Überraschung widerfuhr, als nämlich Edward unvermittelt sagte: »Ach übrigens, Sarah ist für zwei oder drei Wochen weg.«
»Ach, tatsächlich?«
»Sie hat mich gebeten, es Ihnen zu sagen. Und ich soll Ihnen für Ihre Briefe danken.«
Der Major nickte und wandte sich ab, doch innerlich blutete er. Wieder hatte sie ihn verraten.
Mochte Edward auch eine gewisse Befriedigung daraus beziehen, dass er den Major quälte, schien er doch selbst ebenfalls alles andere als froh. Und auf die zunehmende Zahl von Gästen reagierte er, indem er sich seltener denn je blicken ließ. Zwar nahm er unerschütterlich an jedem Frühstück und jedem Abendessen teil, doch tagsüber sah man ihn nur noch selten. Einmal murmelte er dem Major gegenüber (vielleicht weil er doch etwas wie Scham verspürte, dass er so gehässig gewesen und dem Major zu verstehen gegeben hatte, dass Sarah ihm von dessen Briefen erzählt hatte) als eine Art unbestimmter Erklärung für alles, er beschäftige sich jetzt wieder mit seinen biologischen Studien. Dem Major war bereits aufgefallen, dass immer häufiger Pakete mit Büchern und Ausrüstung aus Dublin kamen. Dann und wann stieß er auf Edward in einem entlegenen Hotelzimmer umgeben von Büchern und Papieren. Ein andermal geriet er zufällig in Edwards improvisiertes Labor, das dieser im Badezimmer der Hochzeitssuite im ersten Stock eingerichtet hatte. Er hatte sich sofort wieder zurückgezogen, denn er wollte nicht, dass Edward den Eindruck bekam, er spioniere ihm nach – aber in dem Augenblick konnte er doch ein Mikroskop erkennen, auf einem Tischchen neben der schwarzen Marmorbadewanne mit der abblätternden Vergoldung, in der gewiss manche Braut des vergangenen Jahrhunderts sich ihre Illusionen von der Liebe abgewaschen hatte. Neben dem Mikroskop türmten sich die Glasträger, es gab einen Bunsenbrenner, einige Gläser mit einer grünlichen Flüssigkeit, ein paar angefaulte Selleriestangen sowie eine tote Maus. Es war nicht klar, ob die Maus einfach zufällig dort ihr Leben ausgehaucht hatte oder ob sie zu Edwards Experimenten gehörte.
Der Major machte sich Sorgen, nicht nur weil Edward nun wieder mürrisch und reizbar und wunderlich geworden war, sondern
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