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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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das las, musste der Major wieder daran denken, wie Edward einmal zu ihm gesagt hatte, dass ihm die vollkommene Vernichtung nur recht sei – dass er Irland gern am Boden sähe, damit die Iren einmal begriffen, was Zerstörung war. Er las von den scharlachroten Flammen am Nachthimmel, als Corks Geschäftsstraßen brannten, die Schläuche der Feuerwehr mit Äxten zerhackt; uniformierte Polizei und Soldaten, wie sie beladen mit Plündergut durch die Straßen schwanken; Hilfstruppen betrunken vom geplünderten Whisky, und sie sangen und tanzten mit den Mädchen der Stadt mitten im Qualm. Es hieß, die Uhr am Turm des Rathauses, der aus dem Meer der Flammen und Rauchwolken herausragte, habe noch bis zum Morgengrauen die Stunden geschlagen, bis sie schließlich hinab in das Inferno gestürzt sei.
    Der Major schlief jetzt wieder so wenig und so unruhig wie zu seiner Zeit im Krankenhaus, gepeinigt von Albträumen, die ihn immer wieder zurück in die Schützengräben führten. Bei jedem lauten Geräusch, einem Buch, das auf den Tisch geworfen wurde, einem Teller, der zu Boden fiel, zuckte er unwillkürlich zusammen wie ein junger Rekrut. Solange es hell war, zog er, wenn er nicht draußen an der frischen Luft war oder in der Wärme und Geborgenheit seiner Wäschekammer, wie unter Zwang von Raum zu Raum, von Korridor zu Korridor, die Treppen hinauf und wieder hinab. Erst jetzt überlegte er, ob diese Unruhe von einer irrationalen Furcht herrührte, dass schon im nächsten Moment ein Granatwerfergeschoss an genau der Stelle einschlagen würde, an der er eben noch gestanden hatte, eine Spur unsichtbarer Explosionen, der ihn vom Salon zum Speisesaal zur Bibliothek zum Billardzimmer trieb, weiter und immer weiter, sodass er immer wieder um Sekundenbruchteile entkam. »Ich muss mich zusammenreißen, sonst sieht Edward die Feigheit vor dem Feind.«
    Er brauchte Zerstreuung – ein Besuch im Theater. Er konsultierte die
Irish Times
. Im Gaiety lief
Charleys Tante
, und die Reklame versprach, dass »selbst die Katzen lachen«. Aber der Major hatte den schweren Verdacht, dass er nicht lachen würde. Außerdem wurde eigens darauf hingewiesen, dass die Aufführung pünktlich um 9 Uhr 15 abends ende, und der Gedanke, dass man sich noch schnell ein paar kleine Lacher gönnte, bevor man durch die gefährlichen Straßen nach Hause hastete, gefiel ihm nicht. Aber er musste etwas unternehmen. Einen ganzen Vormittag lang zwang er sich dazu, an derselben Stelle sitzenzubleiben. Die Damen, die er unwirsch abwies, beobachteten ihn von ferne und flüsterten sich gekränkt zu, dass er wohl »mit dem falschen Fuß zuerst aufgestanden« sei. Nach dem Mittagessen, als er wenigstens seinen schlimmsten Bewegungsdrang befriedigt hatte, mühte er sich nach Kräften, sie wieder freundlicher zu stimmen.
    Kurz vor der Teestunde spazierte er, die Hände in den Taschen, über einen Gang im dritten Stock (seit er durch die Dielen gebrochen war, ging er selten weiter nach oben), da öffnete sich hinter der nächsten Biegung eine Tür, ein Schwall Gelächter schwappte heraus, dann Schritte und das Rascheln eines Rocks. Schon im nächsten Moment war er mit einem schlanken, dunkelhaarigen Mädchen zusammengestoßen, das um die Ecke gelaufen kam und dabei lachend über die Schulter geblickt hatte. Es war so dunkel, dass der Major sie erst im letzten Moment gesehen hatte. Immerhin konnte er sie noch auffangen, damit sie nicht stürzte.
    »Bitte um Verzeihung!«
    Statt Fröhlichkeit stand nun Verblüffung, dann Schrecken auf den Zügen des Mädchens. Sie löste sich aus seinem Arm und trat verlegen einen Schritt zurück. Der Major betrachtete sie im Zwielicht. Sie hatte ein bezauberndes schwarzes Samtkleid an, mit weißem Rüschenkragen und weißen Spitzenärmeln; aus den Rüschen erhob sich ihr Hals schlank und rosig, und darüber das zarte, jetzt schmollende Gesicht. Ein Hauch Parfüm hing in der Luft. Abrupt machte sie kehrt und floh wieder zurück in das Zimmer, aus dem das Kichern kam. Es wurde eifrig getuschelt (das waren natürlich Viola und die Zwillinge), und sie schienen vergnügter denn je. Der Major, ebenfalls lachend, steckte den Kopf zur Tür hinein. Inzwischen war ihm aufgegangen, dass das »Mädchen« Padraig war.
    »Brendan, wie finden Sie das? Gibt er nicht ein prächtiges Mädchen ab?«
    »Wir sind alle ganz neidisch auf ihn.«
    Lächelnd (obwohl ihm das Vergnügen, das es ihm einen Augenblick zuvor bereitet hatte, »ihren« zarten Leib in den Armen

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