Troubles (German Edition)
wäre er ja nie auf die Idee gekommen, einen aus der vornehmen Welt anzugreifen, einen besseren Herrn, verstehen Sie, einen protestantischen Gentleman … einen Kunden der Bank. Lieber Himmel! Können Sie sich seine Tollkühnheit vorstellen? Oh, und Edward … glauben Sie nur nicht, dass der besser war. Er war sogar noch schlimmer … sofort kroch er zu Kreuze … und ich dachte immer, er sei ein Mann mit Würde; da sieht man mal wieder, was für ein armes kleines Dummchen ich bin. Sie hätten sehen sollen, wie sie sich geprügelt haben, sie hätten sich totgelacht. Mir wird schlecht, wenn ich nur an die zwei denke!«
Sarahs Gesicht war weiß geworden, und im Vergleich dazu wirkten ihre Augen schwarz und riesengroß. Als wolle sie ihren Worten Nachdruck verleihen, beugte sie sich vor und hielt den Kopf über die Sessellehne, als müsse sie sich tatsächlich übergeben. Der Major machte einen Schritt nach vorn, um ihr zu Hilfe zu kommen, blieb aber doch wieder stehen. Auf der Sofalehne entdeckten seine Augen ein graues Seidenbündel, bei dem es sich um ein zusammengefaltetes Frauenkleid handeln mochte. Er stand da, nahm schmerzlich jedes Detail in sich auf; als er den Kopf abwandte, war jedes einzelne Fädchen in sein Gedächtnis eingewoben. Er war sicher, dass Sarah unter ihrer Decke nackt war. Auf ihrem nackten Arm, fast an der Schulter, entdeckte er einen blauen Fleck, und vor seinem inneren Auge sah er Bolton, auf dem Ball neben ihrem Stuhl; Finger und Daumen waren weiß geworden, als sie ihre weiche Haut umklammerten.
»Wo sind sie jetzt?«
Sarah hob das bleiche Gesicht und starrte ihn verständnislos an. Schließlich erwiderte sie: »Edward fährt ihn nach Hause, jetzt, wo sie mit ihrer Prügelei fertig sind. Ich habe mich geweigert mitzukommen. Was glauben Sie? Mittlerweile sind die beiden wahrscheinlich die dicksten Freunde. Noch vor dem Gehen hat er angefangen sich zu entschuldigen. ›Sie müssen meine Lage verstehen, Mr. Spencer … ‹ Und Edward antwortete, er, mein Vater, sei vollkommen im Recht, er wisse ja, wie das sei, wenn man Töchter habe … Edward hatte furchtbare Angst vor ihm … Ich habe noch nie jemanden so verlegen und schuldbewusst und kleinlaut gesehen. Es war ekelhaft!«
Der Major trat vor, kniete sich neben den Kamin und zog den Schuh aus der Glut; die Ledersohle war schwarz und verkohlt. Er blies einen Wirbel aus weißer Asche davon ab und stellte den Schuh dann unschlüssig vor den Kamin. Ein Schwall aus heißem Wachs versengte ihm die Finger und erinnerte ihn daran, dass er noch immer die Kerze in der Hand hielt. Er warf sie ins Feuer, zupfte sich mit dumpfem Groll das Wachs von den Knöcheln und starrte dabei auf seine Finger. Sarah weinte jetzt bitterlich, aber der Major widmete sich weiter seinen wachsüberzogenen Knöcheln. Als er endlich damit fertig war, ging er hinüber zu Sarahs Sessel, nahm ihren nackten Arm und versuchte, ihr tränenfeuchtes Gesicht zu küssen. Als sie sich wehrte, begann er mit ihr zu rangeln und zog an der Decke: »Du dreckige Hure!« Er war sicher, dass sie unter der Decke nackt war. Sie schlug ihn heftig ins Gesicht. Er trat verblüfft zurück und sagte nach kurzer Pause: »Es tut mir sehr leid, Sarah.«
Aber Sarah machte es anscheinend nichts aus. Sie sagte nur tonlos: »Schon gut, Brendan. Aber jetzt gehen Sie um Himmels willen. Für noch so eine Szene habe ich heute Abend nicht mehr die Kraft.«
»Kann ich Sie nicht nach Hause bringen?«
»Nein, ich habe einen Freund angerufen und ihn gebeten, mich abzuholen. Er muss gleich da sein.«
Sein Zimmer war stockfinster, und die Kerze, die er mit nach unten genommen hatte, fehlte ihm jetzt. Erst als er sein Bett erreicht hatte und nach dem Bettzeug tastete, fielen ihm die Zwillinge wieder ein.
»Seid ihr noch wach?«
»Ja.«
»Kein Grund zur Sorge. Ihr könnt wieder in eure Betten gehen. Im Arbeitszimmer eures Vaters ist nur ein Bücherregal umgefallen.«
»Können wir nicht bleiben? Es ist schon fast Morgen, und unsere Betten sind bestimmt eiskalt.«
»Auf gar keinen Fall.‹
»Nur noch ein ganz kleines Weilchen?«
»Nein, ganz sicher nicht. Marsch zurück auf eure Zimmer.«
Aber die Zwillinge rührten sich nicht, und der Major war zu müde, um mit ihnen zu streiten. Eine Zeitlang stand er unschlüssig im Dunkeln, dann zog er seinen Morgenrock aus und stieg ins Bett. »Meinetwegen, aber nur ein kleines Weilchen.«
Zugegeben, es war angenehm, einen warmen Körper an seiner Seite zu spüren.
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