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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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Im Augenblick spürte er sogar zwei warme Körper, denn eins der Mädchen war aus dem Bett geschlüpft, hatte es umrundet und war auf der anderen Seite wieder hineingeklettert. Im Geiste formulierte er die tadelnden Worte, die sie beide zurück in ihre kalten Betten bugsieren würden, aber seine Stimmbänder waren wie gelähmt vor Unglück und Erschöpfung – und so schlief der Major mit seinem gebrochenen Herzen schließlich als mittlere Scheibe eines keuschen, himmlisch warmen Sandwichs ein. Ein leichter Hauch von Wein und Schweiß hing wenig später über diesem friedlich schlummernden Lager, denn die Zwillinge hatten nicht nur ihr Abendgebet vergessen, sie hatten sich auch nicht gewaschen.
    Inzwischen, endlich, dämmerte es im Majestic. Die Meeresbrise, die die wenigen verbliebenen Gäste in den frühen Morgenstunden hatte frösteln lassen, hatte sich wieder gelegt, und alles war still. Bald würde die Sonne aufgehen und die verwitterten Steine auf der Seeseite wärmen.
    Wenig später kam Mr. O’Flaherty in seinem Pferdewagen, begleitet von den drei jungen Burschen, die für ihn arbeiteten. Er war der örtliche Traiteur, den man angeheuert hatte, um im Ballsaal das Frühstück auszurichten (der Mietkoch war mit seinen Leuten nach dem Abendessen nach Dublin zurückgekehrt). Er war am Abend früh zu Bett gegangen, damit er für das Frühstück in guter Verfassung war, und wusste daher nicht, wie der Ball geendet hatte. Gewiss, er war überrascht, als er alles so ruhig vorfand – aber im Grunde ging ihn das ja nichts an. Die Gäste hatten wahrscheinlich die ganze Nacht hindurch getanzt und gefeiert. Bestimmt waren sie mehr als müde.
    Beladen mit Eierkörben und Platten mit Speck stolperten die Jungen hinter ihm her, als er würdevoll in Richtung Küche schritt – die in einem schockierenden Zustand war (er schnalzte missbilligend mit der Zunge). Mr. O’Flaherty war ein beleibter Mann mit tiefrotem Gesicht, ein überzeugter Anhänger der Sinn Féin, der jedoch Gewalt missbilligte (überhaupt jegliche Art von Exzess). Er missbilligte mancherlei – im Prinzip zumindest; im Einzelfall neigte er zur Nachsicht. Er missbilligte die anglo-irischen »besseren Leute«, die er für faul, verschwenderisch und nicht selten für reichlich dumm hielt. Er missbilligte Jagdgesellschaften und dergleichen Schnickschnack. Aber er hatte eine Arbeit, und er gedachte sie mit Anstand zu tun.
    »Seht euch diese Schweinerei an … Typisch Dublin, so was!«
    Während die Jungen die Küche saubermachten, ging er nach oben, um das Silber zu holen. Anscheinend war gewöhnliches Geschirr ja nicht gut genug für diese Leute: sie mussten von silbernen Tellern essen und ihren Kaffee aus silbernen Kannen eingießen. Edward hatte ihm gezeigt, wo er die glänzenden Schätze finden konnte, und ihm den Schlüssel zum Silberschrank gegeben. Mr. O’Flaherty konnte einen Anflug von Stolz über diesen Vertrauensbeweis nicht unterdrücken, und es half wohl ein wenig dabei, den unschönen Gedanken zu vertreiben, dass es, während Mr. Spencer und seine Gäste aus silbernen Schüssel speisten, im Westen von Irland Menschen gab, die kaum einen Bissen hatten.
    Die Eier wurden in Tassen aufgeschlagen, bratfertig für die Pfanne, die Speckstreifen neben Bergen von Nierchen ausgebreitet, das Wasser für die silbernen Tee- oder Kaffeekannen zum Sieden gebracht. Als alles vorbereitet war, ging Mr. O’Flaherty mit zwei von den Jungen nach oben, mit Stapeln von vorgewärmten Tellern, die ihnen bis zu den Augen reichten; der dritte blieb in der Küche und fing mit dem Braten und Toasten an.
    Eine frische Kochmütze fest auf dem Kopf gedrückt, näherte sich Mr. O’Flaherty mit kurzen, eleganten Schritten dem Ballsaal. Aber die unnatürliche Ruhe verunsicherte ihn. Auf dem Flur herrschte Totenstille, bis auf einen einzelnen Katzenschrei in der Ferne. Das typische Echo, das man aus verlassenen Zimmern kennt. Aber er wollte vor den Jungen nicht das Gesicht verlieren und eingestehen, dass er nervös war, also sagte er nichts. Seine Miene blieb ernst und undurchdringlich, ganz als sei alles in schönster Ordnung. Bei diesen Leuten wusste man ohnehin nie, wie sie sich benehmen würden. Selbst wenn (dieser Gedanke hatte ihn durchzuckt) er sie allesamt sturzbetrunken auf dem Fußboden vorfand, war es nicht seine Aufgabe, dazu einen Kommentar abzugeben; er musste lediglich denen das Frühstück servieren, deren Lebensgeister soweit zurückgekehrt waren, dass sie es zu

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