Troubles (German Edition)
schnitt sie eine Grimasse und sagte, sie wolle nicht über Kilnalough reden, sie wolle etwas über den Major erfahren. Und so erzählte der Major vom Krieg und konnte nur staunen, wie leicht ihm das plötzlich fiel. Nach und nach, ohne jede Reihenfolge, fielen ihm Namen und Gesichter wieder ein. Zuerst erzählte er Sarah ein paar kuriose Begebenheiten: über einen jungen Tommy, den man tot auf seinem Lager gefunden hatte, und das einzige, was man an Verletzung feststellen konnte, war ein gebrochener Finger gewesen; über die freundlichen Rufe, die man über das Niemandsland mit den Deutschen getauscht hatte; über einen Mann im Regiment des Majors, dem ein Bein weggeschossen wurde, der sich in einem Minenkrater niedergesetzt und selbst die Adern abgebunden hatte und der überlebt hatte … Und nicht lange, da erzählte der Major Sarah von Ereignissen, die bisher eingefroren in einem Eisblock in seinem Innersten gelegen hatten. Er stellte fest, dass er in der Wärme ihres Mitgefühls über Dinge sprechen konnte, die er bis dahin kaum sich selbst hatte ins Gedächtnis rufen können. Wie er da vor dem flackernden Feuer saß, müde und ein wenig betrunken, löste sich die Blase der Bitterkeit in seinem Geist nach und nach auf, und am Ende liefen ihm die Tränen über die Wangen, Tränen um all die toten Freunde.
Am folgenden Morgen brach Sarah nach Frankreich auf. Sie werde dem Major ihre Adresse schicken, sagte sie.
Der Major schrieb Sarah einen unglaublich langen Brief, vollgepackt mit Persönlichem, mit poetischen Betrachtungen über das Leben und die Liebe und jedes andere Thema unter der Sonne. Endlich hatte er jemanden gefunden, mit dem er reden konnte! Er hatte jemanden gefunden, der ihn verstand und der seine Ansichten darüber, wie es in der Welt zuging, teilte. Alles was er in den letzten vier oder fünf Jahren nicht hatte sagen können, weil er keinen Zuhörer dafür hatte, kam nun als schäumender Sturzbach in schwarzblauer Tinte aus seinem Kopf hervor, und alles auf einmal. Der Stapel aus beschriebenen Blättern war schon so dick, dass er in keinen gewöhnlichen Umschlag mehr passen würde, und er hatte ja noch viel mehr zu sagen … am Ende würde er seinen Brief in Packpapier schlagen und als Päckchen schicken müssen. Nicht dass der Major diesen Brief nun unbedingt zu Ende schreiben wollte (denn die Art von Brief, die der Major schrieb, wird meist erst abgeschlossen, wenn der Schnitter uns die Feder aus der Hand nimmt); die Schwierigkeit, der er sich gegenübersah, war eher praktischer als ästhetischer Natur: er konnte Sarah seinen Brief nicht in Etappen schicken, weil sie vergessen hatte, ihm ihre Adresse zu senden. Der Winter ging zu Ende, der Frühling kam, und der Major hatte von Tag zu Tag weniger Hoffnung, dass sie noch daran denken würde, dies Versehen zu korrigieren. Der Strom der Vertraulichkeiten schwächte sich zum Rinnsal ab, und schließlich versiegte er ganz. Nun war der Major wieder melancholisch und verletzlich. Und die graue Welt war wieder so grau wie sie schon immer gewesen war. Als die Zeit gekommen war, starb seine Tante.
Derweil ging es mit den Unruhen in Irland weiter, manchmal mehr, manchmal weniger, manchmal ging es besser und manchmal schlechter. Er konnte sich keinen Reim darauf machen. Es war, als fahre man in einem kleinen Boot aufs Meer hinaus: je mehr man gegen die Wellen ankämpft, desto unmöglicher wird es zu sagen, wie weit hinaus man schon gekommen ist; nur der Blick zurück, der Abstand vom Ufer, bietet einen Anhaltspunkt. Und so konnte man in Irland allenfalls zurückblicken zu den friedlichen Tagen der Vorkriegszeit. Und die schienen nun schon sehr weit fort.
A UFRUHR IN I NDIEN
Lord Hunters Untersuchung
Die Zeitungen, die mit dem Postschiff eintrafen, bringen laut Reuters weitere Berichte über die Sitzungen der Hunter-Kommission, welche die indischen Unruhen des vergangenen Jahres untersucht. Am 3. Dezember leugnete Captain Doveton, der in Kasur Kriegsrecht ausgeübt hatte, in seiner Zeugenaussage (auch wenn er zugab, dass er sich in dieser Zeit einige neue Formen der Strafe habe einfallen lassen, mildere Formen, als sie sonst in Kriegsgerichtsurteilen üblich sind), dass er je angeordnet habe, Personen mit weißer Farbe zu bestreichen, oder jemanden gezwungen habe, mit der Nase etwas auf den Fußboden zu schreiben
…
Sir Chiman Lal Setalvad kam auf die Einstellung der Bevölkerung während der Zeit des Kriegsrechts zu sprechen. »Sie sagen, die Leute
Weitere Kostenlose Bücher