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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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Es war eine ganze Weile warm und trocken gewesen; der Boden war völlig ausgedörrt und zerfiel unter den Füßen zu Staub. Aber im Grunde glaubte der Major nicht an ein Versehen. Es war mitten in der Nacht gewesen, und die Strahlen des Mondes hatten noch nie ein Feuer entfacht. Edward war überzeugt, dass es sich um das Werk von Sinn-Fein-Leuten handelte, die es darauf anlegten, die Bauern gegen ihn aufzuwiegeln. Wenn sie hungrig genug waren, konnte man sie zu allem überreden. Es schien die einzig plausible Erklärung.)
    »›… aus Rücken, Vorderteil, kurzen Ärmeln und einem geraden Schalkragen. Ein schlichter, vorne geknöpfter Gürtel reguliert die Taillenweite und setzt einen hübschen Akzent. (Knielang, mit Schuhen und einer Haube.) Schnittmuster acht Pence.«‹
    »Aber wozu erzählt ihr mir das?«
    »Faithy, ich schwöre dir, ich bringe ihn um, wenn er das noch ein einziges Mal sagt … Weil wir acht Pence brauchen, um das verdammte Schnittmuster zu kaufen!«
    »Selbstverständlich«, sagte der Major lachend und suchte in seiner Tasche. »Warum habt ihr das nicht gleich gesagt?«
    Der Major hatte seine seltsame Angewohnheit, ruhelos durch die Räume des Majestic zu streifen, noch immer nicht abgelegt. Eines Tages betrat er auf einer seiner ziellosen Wanderungen das nur noch selten benutzte Schreibzimmer und blickte sich um. Die in dunklem Eichenholz getäfelten Wände zierten gräuliche Gobelins mit Jagdmotiven. Über dem Kaminsims hing zum Beispiel ein bis an die düstere Decke reichender Wandteppich mit dem Bild einer riesigen Hirschkuh, die auf einem mit Früchten und runden Brotlaiben beladenen Tisch lag. Ein Hinterlauf des Tiers ragte von der Tischplatte schräg in die Höhe, der anmutige Kopf mit dem langen Hals hing im Vordergrund herab. Das vormals scharlachrote Blut, das malerisch aus der aufgeschlitzten weißen Kehle tropfte, war inzwischen ebenso grau wie die Früchte auf dem Tisch, grau wie Staub. Tische, Stühle und Schreibpulte standen in Gruppen beisammen.
    Ein schwacher Laut ließ ihn aufhorchen. Edward saß tief schlafend in einem gewaltigen Ohrensessel aus abgewetztem Leder, mit seitwärts hängendem Kopf und offenem Mund, das Gesicht eingefallen vor Erschöpfung – erste Anzeichen von Alter und Resignation. Der Major verharrte einen langen Augenblick in dem stillen Zimmer, erschrocken, Edward so verletzlich, so wehrlos zu sehen. Gerade als er auf Zehenspitzen davonschleichen wollte, glitt ein schwarzer Schatten unter einem verstaubten Schreibpult hervor und machte es sich auf Edwards verwaistem Schoß bequem (denn die große Katzenarmee aus der Empire-Bar hatte in jüngster Zeit damit begonnen, auch andere wenig frequentierte Räumlichkeiten im Majestic zu erobern). Edward wachte auf, sah, dass der Major ihn beobachtete, murmelte: »Muss wohl eingeschlafen sein« und räusperte sich mit einem langen, müden, rasselnden Geräusch, wie das Röcheln eines sterbenden Tiers. Sie wussten beide nicht, was sie sagen sollten.
    Seit dem Feuer auf den Feldern hatte es einen Wetterumschwung gegeben; vielleicht war er Edward aufs Gemüt geschlagen. Jedenfalls war es ihm offenkundig kein Trost, dass die verbrannte Ernte, selbst wenn sie den Flammen entkommen wäre, sehr wahrscheinlich vom Regen und den Stürmen, die das Majestic umtosten und schimmernde Pfützen auf dem Boden des Ballsaals hinterließen, niedergewalzt worden wäre. Der Sturm zog mit peitschendem Regen und Donnergrollen über die Irische See in Richtung Wales davon, und zurück blieb ein gleichmäßiger, endloser Dauerregen, der wie ein Glasperlenvorhang vom Himmel zu hängen schien.
    »Wo ist mein Revolver?«, fragte Edward eines Morgens ein Zimmermädchen, nachdem er eine Stunde lang die Schubladen in seinem Arbeitszimmer durchwühlt hatte.
    »Den hat die Köchin, Sir. Sicher verwahrt im Küchenschrank.«
    »Wozu um alles in der Welt braucht sie ihn?«
    »Sie hat mächtig Angst vor den Freiwilligen.«
    Edward verlor keine Zeit und holte seine Waffe zurück – sie war mit mehligen Fingerabdrücken bedeckt und in gebuttertes Papier gewickelt –, aber er verriet niemandem, was er damit vorhatte. Während die Tage verstrichen und die alten Damen weiterhin in fröstelnden Grüppchen zusammenhockten wie Nomaden um ein Lagerfeuer, ließ der Atem des Majors in verschiedenen Teilen des Hauses Fenster um Fenster beschlagen. Von Zeit zu Zeit sah er, wie Edward die Auffahrt hinunterstapfte, ohne Rücksicht auf den Regen, der auf seine

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