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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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wollen die Leute hungern lassen, nur damit Sie Ihren hehren Prinzipien treu bleiben können.«
    Es war schlagartig still. Der Major war von seinem Ausbruch selbst genauso überrascht wie Edward. Edward war rot im Gesicht, aber er sagte nichts.
    Allerdings musste er wohl weiter über der Sache gebrütet haben, denn nach dem Mittagessen nahm er den Major beiseite und erzählte ihm, dass er versuchen wolle, Arbeiter in Kilnalough zu finden, die das Korn ernten und mahlen sollten, und dann würde er das Mehl an die besonders Bedürftigen verteilen. Er wolle auch dafür sorgen, dass Dr. Ryan und der örtliche Priester von seinen Absichten erführen, um den Leuten einzuschärfen, dass das Korn stehen lassen sollten, bis es reif war. Auf diese Weise müssten sie nicht das Gesetz brechen, und er könne bei seinen »hehren Prinzipien« bleiben (hier lächelte er säuerlich). Er habe Murphy bereits mit der Nachricht nach Kilnalough geschickt.
    Eine Zeitlang hatte der Major seine Ohren vor den Gerüchten, die im Majestic im Umlauf waren, verschlossen, denn in den Schützengräben, wo sie wucherten wie Pilze, hatte er mehr als genug davon zu hören bekommen. Aber jetzt hörte er doch wieder zu, denn die alten Damen saugten sie gierig auf und teilten sie gern mit ihm (woher diese Gerüchte kamen, war ihm ein Rätsel, es sei denn, die revolutionäre Gesinnung, die ja angeblich in Murphys Hirn brodelte, brütete sie aus). Die I.R.A. habe einen Mordanschlag auf Seine Majestät geplant gehabt, versicherte Miss Archer (nicht verwandt) ihm eines Tages, und zwar mit einem in Curare getauchten Pfeil, den ein Wilder, den sie eigens dafür aus dem brasilianischen Urwald geholt hatten, mit einem Blasrohr schießen sollte.
    »Aber das ist doch Unsinn!«, tadelte der Major sie nachsichtig (sie zählte zu seinen Lieblingen). »Ich kann nur staunen, Sybil, dass Sie eine so hanebüchene Geschichte glauben.«
    »Aber es ist die reine Wahrheit. Ich weiß es von höchster Stelle.«
    »Also
wirklich

    Miss Archer senkte ihre Stimme. »D.C.«
    »D.C.?«
    Sie schnalzte mit der Zunge über soviel Unverstand. »Dublin Castle.«
    »Vollkommener Unsinn«, beharrte der Major lachend.
    Aber nein, versicherte ihm Miss Archer, es sei die reine Wahrheit. Und das sei noch nicht einmal alles … die I.R.A. habe diesen verbrecherischen Akt nicht nur geplant, sondern um Haaresbreite wäre er auch zur Ausführung gekommen. Sie hatten den brasilianischen Wilden im vollen Ornat, als Buchmacher verkleidet, an die Rennbahn in Ascot gestellt. Als die königliche Kutsche nahte, hatte er das Blasrohr an die Lippen gesetzt. Näher und näher kam der König, jetzt waren sie auf Augenhöhe, die Backen des Wilden blähten sich, und da … hatte er einen Hustenanfall erlitten (er vertrug nämlich das Klima nicht und war drei Tage darauf an Lungenentzündung gestorben), der Pfeil war ihm aus dem Rohr gerutscht und ohne Schaden anzurichten auf dem Rasen gelandet! Miss Archer tat nun nicht einmal mehr so, als sei es ernst gemeint, und brachte ihren Bericht mit einem Schwall mädchenhaften Kicherns zu Ende, aus den trüben, wässrigen Augen, die früher einmal schön gewesen sein mussten, flossen die Lachtränen, und der Major konnte nun nicht mehr sagen, ob es nicht von Anfang an als Scherz gemeint gewesen war. Vielleicht wusste sie es selbst nicht so genau.
    »In Zukunft werde ich Ihnen kein Wort mehr glauben!«, versicherte der Major ihr streng.
    Ein anderes Gerücht, dem die alte Mrs. Rice und die Misses Johnston, Laverty und Bagley Glauben schenkten (und das die anderen alten Damen doch zumindest halb glaubten), besagte, dass sämtliche Anführer der I.R.A. fließend deutsch sprächen und dass die verrückten Frauen dort (Maud Gonne und die junge Gore-Booth, die den Mann mit dem unaussprechbaren Namen geheiratet hatte) beide Geliebte des Kaisers gewesen seien. Und Mr. Norton fügte
sotto voce
und an den Major gerichtet hinzu, der arme alte Kaiser Bill habe feststellen müssen, dass beide unersättlich gewesen seien, und habe sich bei dem Versuch, seine Ehre zu wahren, bleibenden gesundheitlichen Schaden zugezogen.
    Miss Staveley steuerte, ihrem Rang im Majestic angemessen, ein Gerücht bei, das nur sie allein verbreitete und glaubte, das aber doch jeder der alten Damen, die es hörte, einen Moment lang Gänsehaut bescherte: Es gebe Pläne, dass jeder Metzger im Land, ob Rinds- oder Schweinemetzger, sich auf ein Stichwort erheben solle und dass sie alle gemeinsam mit ihren

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